Obama in Brüssel: USA und EU rücken zusammen, MiJ, 26.3.2014

 

Barack Obama heute also bei der EU in Brüssel – eigentlich erstaunlich, dass das der erste Besuch Obamas überhaupt ist bei der EU-Spitze. Am Vormittag hat der US-Präsident von Den Haag kommend einen Abstecher gemacht zu einem Soldatenfriedhof in Flandern, auf den blutgetränkten „Flanders Fields“, wo im Ersten Weltkrieg Hunderttausende ihr Leben lassen mussten in Grabenkämpfen, im Maschinengewehrfeuer, im Giftgas. Aber hundert Jahre weit weg ist das Gespenst des Krieges leider nicht, die Ukraine-Krise macht die Welt beklommen dieser Tage, für die Beziehungen zwischen den USA und Europa allerdings wird die Krise zur Chance. Nach dem Trennenden zuletzt – der Spionageaffäre um den US-Geheimdienst NSA vor allem – erinnern sich viele auf beiden Seiten des Atlantiks daran, wie wichtig die Allianz der USA mit Westeuropa ist in Zeiten politischer Kälte von Osten her. Raimund Löw in Brüssel – kann das Zusammenrücken gegenüber Putin die Spionageverstimmungen unter den Westmächten beseitigen ?

 

Die Entfremdung in den letzten Jahren hat ja nicht nur mit der NSA-Affaire zu tun. Obama selbst hat es immer wieder gesagt: die langfristigen geopolitischen  Interessen der USA liegen vor allem in Asien. Die EU ist da in den Hintergrund getreten. NATO war nicht mehr so wichtig, es war nicht so klar, was eigentlich ihr Existenzzweck ist, wenn der NATO-Rückzug aus Afghanistan abgeschlossen ist.

Amerika hat auch in der europäischen Politik keine so große Rolle gespielt. Die Europäer waren in der Eurokrise ja vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Jetzt ist doch interessant, wie rasch Amerika wieder gefragt ist in Europa, von dem Augenblick an, an dem Sicherheitsfragen  ins Zentrum gerückt sind, durch Putins Aktion auf der Krim. Es gibt ein  Comeback der NATO, weil sich viele EU-Staaten nur dank des amerikanischen Schutzes wirklich sicher fühlen. Obama hat sein Bekenntnis zu Artikel 5 der NATO-Charta in Den Haag ja ausdrücklich bekräftigt.

Umgekehrt gilt  auch für die USA: sie können die Europäer nicht links liegen lassen, wenn sie als Weltmacht ernst genommen werden wollen.

Das alles heisst nicht, dass die USA wieder Führungsmacht werden, wie in der Zeit des Kalten Krieges. Dazu wird es nicht kommen, die Amerikaner haben nicht das Geld dazu und die Europäer müssen sich eher überlegen, ob sie bei einem unsicheren russischen Nachbarn ihre Aussenpolitik und ihre Verteidigungspolitik nicht stärker zusammenlegen wollen. Sogar eine Europäische Armee ist ja wieder im Gespräch.

Aber ein  Zusammenrücken mit Amerika gibt es, keine Frage.  Das hat unfreiwilligerweise Wladmir Putin bewirkt, durch seinen Einmarsch in der Krim.

In der Frage von Sanktionen gegen Russland wegen der Krim-Annexion haben sich die USA und die EU bisher in Stil und Inhalt nicht ganz gefunden – die USA haben rasch politische und wirtschaftliche Sanktionen verkündet, die EU ist viel zurückhaltender bisher. Wird der Obama-Besuch zu einem abgestimmten Vorgehen führen ?

Es war schon jetzt ziemlich abgestimmt. Bei den Sanktionen gegen Russland haben die USA  eine gewisse Vorreiterrolle gespielt, aber im Wesentlichen hat man im Gleichklang agiert.  Die Sanktionen der USA reichen gezielter ins Machtzentrum Putins, auch eine russische Bank ist betroffen, die nach amerikanischer Ansicht die Hausbank Putins selbst ist.

Aber von allgemeinen Wirtschaftssantkionen sehen die USA bisher ab, genauso wie die Europäer.  Die Annexion der Krim wird zwar abgelehnt, aber es gibt im Moment deshalb keine zusätzlichen Gegenmaßnahmen.

Es geht Obama genauso wie den Europäern vor allem um außenpolitische Isolation Putins. Mit einem Wirtschaftskrieg droht man nur  nur für den Fall eines russischen Eingreifens in der  Ostukraine.

Die Rhetorik ist in Amerika schärfer als in Europa, aber letztlich fährt Obama gegenüber Russland doch einen sehr verhaltenen, kontrollierten Kurs. Zur großen Beruhigung der europäer.

 

Was die NSA-Spionageaffäre betrifft, so hört Obama heute wahrscheinlich auch in Brüssel die ironischen „Yes we scan“-Rufe – kann er nach all dem was war noch damit rechnen, dass den USA in Europa noch jemand glaubt, dass sie tatsächlich aufhören mit dem Abhören überall und immer ?

 

Das  haben die Amerikaner ja auch nicht zugesagt. Sie versprechen nur keine Staats- und Regierungschefs befreundeter Nationen mehr abzuhören. Mit dem Ansinnen der Europäer dass man unter den westlichen Freunden das Bespitzeln überhaupt einstellt, wie das Angela Merkel gefordert hat, sind ja Deutsche und Franzosen in Washington abgeblitzt.

Das ist ein zähes Thema. Unter anderem, weil ja auch die europäischen Geheimdienste nicht viel anders agieren, als die amerikanische NSA. Nur haben sie halt weniger Geld und weniger Mittel. Erst vor kurzem ist herausgekommen, dass in Frankreich die Geheimdienst ganz ähnliche Abhörprogramme haben, wie die amerikanische NSA. Bei den Briten ist das seit längerem sowieso bekannt.

Obama hat ja in den USA einen neuen Vorschlag präsentiert, die Abhörpraktiken der NSA gegenüber amerikanischen Bürgern deutlich einzuschränken. Aber das gilt eben nur für die USA.

Kommissionspräsident Barroso wird heute verlangen, dass EU-Bürger rechtlich Amerikanern gleichgestellt werden, in diesem Bereich. Man wird sehen, was Obama dazu sagt. Aber rasend optimistisch wäre ich da nicht, dass sich viel bewegt.

Den Europäern wird vielleicht doch nichts anderes übrig bleiben, als daran zu denken, ob sie nicht eine eigene, gemeinsame europäische Spionageabwehr aufzubauen, wie das im Europaparlament gefordert wird.

Die USA und die EU haben nicht nur wichtige sicherheitspolitische Interessen sondern natürlich – und vielleicht sogar vor allem – wirtschaftliche. Ein Freihandelsabkommen ist angedacht und in der Vorbereitung recht fortgeschritten, aber Kritiker bei uns warnen vor einer Überschwemmung des EU-Marktes mit US-Waren zu Dumpingpreisen. Wo spießt es sich besonders, und was will Obama in Brüssel für die umstrittene Freihandelszone tun ?

Es ist interessant, dass es ja nicht nur Skepsis in Europa gibt, weil man fürchtet, dass die Europäer in einer gemeinsamen Freihandelszone untergehen könnten mit ihren Regeln und Standards. In Washington ist es ganz genauso, die Widerstände im Kongress sind groß, da sagt man spiegelverkehrt, bei einem Freihandelsabkommen wird uns die hoch subventionierte europäische Landwirtschaft überschwemmen und europäische Firmen werden bei öffentlichen Aufträgen den Amerikanern plötzlich Konkurrenz machen.

Obama wird sich auf Details nicht einlassen, aber er wird generell dafür werben, dass  in der globalisierten Welt die Wirtschaft Europas und Amerikas stärker zusammenwachsen sollen.

Ein wesentlicher Grund ist, dass er in der globalisierten Welt hofft, dass sich europäisch-aerikanische Standards gegenüber viel niedrigeren etwa aus China, Indien oder anderen aufstrebenden Industriestaaten durchsetzen werden.

Es wird heute Nachmittag eine der berühmten großen Obama-Reden geben, nicht in der NATO, auch nicht im EU-Ratsgebäude, sondern im Kulturzentrum Bozar. Auch ein Zeichen, dass es ihm um die Gemeinsamkeit der Werte gehen wird, mit den Ideen der Demokratie, der Gleichberechtigung der Geschlechter und sexueller Minderheiten, der multikulturellen Wirklichkeit der heutigen Welt, da gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen Europa und Amerika, die Obama ins Zentrum stellen will.