Nach Trump

Die rechte Milizen, die letztes Wochenende zu tausenden Washington DC belagerten, sind ein Alarmzeichen. Die vielen US-Bürger, die trotz aller Unwahrheiten und dem Desaster der Pandemie dem Demagogen im Weißen Haus die Stange halten, werden Amerika lange beschäftigen. Donald Trumps Karriere in der Politik begann mit der Lüge, dass Barack Obama kein legitimer Präsident ist, weil er nicht in den USA geboren sei, sondern in Kenia, der Heimat seines Vaters. In seinen Memoiren, die dieser Tage erscheinen, beschreibt Obama, wie erstaunt seine Mitarbeiter waren, als sich herausstellte, dass nicht einmal das Geburtszertifikat aus Hawaii die Wirkung der Propagandalüge schmälerte.
Wenn Trump das Weiße Haus als Gegenpräsident der Rechten verlässt, den angeblich die Eliten aus dem Amt gezwungen haben, dann hofft er damit die Kontrolle über die Republikanische Partei zu behalten. Im britischen Guardian beschreibt Jonathan Freedland das Trumpsche Paralleluniversum in Anlehnung an den amerikanischen Bürgerkrieg als „virtuelle Konföderation“, die sich von der Union losgesagt hat. Mit dem Image eines Loosers wird Trump allerdings darum kämpfen müssen, Überchef der Rechten zu bleiben.
Mit der zeitlichen Distanz zum Wahltag realisiert Amerika, wie erfolgreich Joe Biden und Kamala Harris bei der Mobilisierung waren. Die mehr als 77 Millionen Stimmen für den Demokraten sind ein Rekord.
Die USA sind international nach wie politische Trendsetter. Amerika bekommt jetzt eine zentristische Führung. In der Demokratischen Partei ist aber der linke Flügel gestärkt. Die Black Lives Matter Bewegung ist mit ihrer Forderung nach Abrüstung der Polizei nicht durchgekommen. Ökologen, die ein völliges Verbot von Fracking wollten, die umstrittenen Energiegewinnung durch kontrollierte Sprengungen, mussten nachgeben. Die Gewerkschaften setzen in der Energiepolitik auf Arbeitsplätze. Die Einheitsfront zwischen Liberalen und Linken war die Grundvoraussetzung, die rechtspopulistische Welle zu brechen. Wie es gelingen wird, diese Allianz zusammen zu halten, wird über den Erfolg der neuen Administration entscheiden.
Joe Biden will am ersten Tag seiner Amtszeit den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen rückgängig machen. Ein Symbol für die Rückkehr zum Multilateralismus, in dem die Staaten internationale Verträge ernst nehmen.
Die Erleichterung der Europäer über die Perspektive einer Administration Biden hat sich in abgesprochenen Glückwunschtelegrammen ausgedrückt. Sogar der britische Premier Boris Johnson, der auf Trump als Verbündetem beim Brexit setzte, stellt sich auf die neuen Verhältnisse ein. Wenige Tage vor der letzten Chance einen Hard Brexit zu vermeiden, feuert er Hardliner Dominic Cummings. Der Katholik Biden ist auf seine irischen Wurzeln stolz. Der Friede auf der Insel, der durch eine Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland bei einem harten Brexit gefährdet wäre, ist ihm ein persönliches Anliegen. In den Brexit-Schlussverhandlungen könnte die britische Regierung kompromissbereiter werden. Möglicherweise hat der amerikanische Wahlausgang den Europäern eine chaotische Scheidung erspart.
Angespannt wartet man auf die Signale der neuen Administration im Nahen Osten. Unter Barack Obama hatten die USA versucht den Siedlungsbau zu stoppen. Trump ignorierte die Palästinenser und drängte die arabischen Ölstaaten zu einer Verständigung mit Israel. Die Demokraten werden manches stehenlassen. Aber palästinensische Anliegen werden in Washington ernst genommen werden, woran sich Israel wieder gewöhnen muss.
Entscheidender für die Region wird sein, ob die Biden-Administration das Nuklearabkommen mit dem Iran wieder belebt, das unter Obama einst ausgehandelt wurde. Trump hat den Deal mutwillig zerrissen. Letztes Jahr wäre es am Golf fast zu Kampfhandlungen gekommen. Die Europäer drängen schon seit langem, die Frontstellung gegen die Islamische Republik Iran zu lockern. Die Iraner müssten sich ihm Gegenzug wieder an die Beschränkungen des Atomabkommens halten. Nicht einfach, weil die Hardliner auf Abschreckung gegen ihre Feinde setzen. Aber auch nicht unmöglich, weil die iranische Wirtschaft durch die US-Sanktionen schweren Schaden nimmt.
Die Trump-Jahre haben Amerika zu einem Faktor der Unsicherheit gemacht. Dass die Supermacht unter Biden wieder berechenbar ist, bringt Konflikte und Interessensgegensätze nicht zum Verschwinden. Aber eine US-Außenpolitik, die auf Diplomatie setzt und nicht auf nationalistische Ausbrüche, wird es leichter machen globale Probleme anzugehen.
Ob Donald Trump in den verbleibenden Wochen im Weißen Haus noch eine spektakuläre Aktion setzen wird? Nicht sehr wahrscheinlich. Aber die Unsicherheit wird bis zur Amtsübergabe am 20.Jänner anhalten, wie auch immer die verlaufen mag. Eine Supermacht, die sich intern neu aufstellt, verschiebt auch die Welt.

ZUSATZTEXT
Zwei Wochen nach dem Wahltag haben sich nur wenige Staatschefs noch nicht entschieden, ob sie Glückwünsche an Joe Biden schicken, darunter Nordkoreas Kim Jong Un, Brasiliens Jair Bolsonaro und Vladimir Putin – keine besonders respektable Fangemeinde.
Ausgeschert ist in Europa nur der rechtspopulistische slowenische Regierungschef Janez Jansa, der peinlicherweise Trump beglückwünschte. Ungarn und Polen haben sich der europäischen Demonstration in Richtung Washington angeschlossen, wenn auch etwas verhaltener als Merkel&Macron Co.

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