Polizeigewalt und Gewalt gegen die Polizei in Frankreich, Notizen

Frankreich trauert heute um den verstorbenen Präsidenten Giscard d’Estaing. Aber die Erinnerung an den großen Liberalen von Einst ist ein Blick in einen andere Zeit. Aktuell kommt das Land nicht zur Ruhe. Nach islamistischen Terroranschlägen und Protesten der Gelbwesten bringen jetzt Demonstrationen gegen ein neues Sicherheitsgesetz die Regierung in Schwierigkeiten. Warum regt denn dieses Gesetze so viele Menschen auf?
Es gibt bei vielen Bürgern in Frankreich ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber der Polizei. Vor allem bei jungen Leute, vor allem bei Angehörigen von Minderheiten, aber nicht nur dort. Das hat man bei den Demonstrationen vom Wochenende gesehen, wo ganze Familien mitmarschiert sind.
Das Misstrauen hat damit zu tun, dass sich die Polizei oft sehr selbstherrlich benimmt. Und dass es bei Polizeiübergriffen so gut wie nie Konsequenzen gibt.
Wenn irgendjemand Amtshandlungen mit dem Handy filmt, dann ist es leichter zu beweisen, was passiert ist. Die Kritiker sagen, das ist genau der Grund, warum die Polizeigewerkschaft unbedingt wollte, dass Filmen von Amtshandlungen eingeschränkt oder ganz verboten werden soll.
Aber auch die Polizei hat einen Punkt. Jugendliche verhalten sich oft aggressiv gegenüber der Polizei. Die Polizei wird vor allen in den Vorstädten immer wieder von Jugendlichen attackiert. Auch bei den Demonstrationen vom Wochenende hat es Schlägergruppen gegeben, die auf die Polizei losgegangen sind, wie die großen völlig friedlichen Veranstaltungen vorbei waren.
Wenn jemand mit filmt kann das die Situation noch verschärfen. Die Aggressionen gegen die Polizei am Rande von Demonstrationen sind eine schwere Belastung.
Noch verstärkt wird die Auseinandersetzung, weil ausgerechnet während der parlamentarischen Behandlung Videos bekannt geworden sind, auf denen man sieht, wie ein schwarzer Musikproduzent im eigenen Büro von vier Poizisten krankenhausreif geschlagen. Dieses Video hat sogar den Präsidenten schockiert und der umstrittene Artikel soll noch überarbeitet werden.
Der Konflikt ist ein Zeichen für die Vertrauenskrise zwischen der Exekutive und Teilen der Gesellschaft.
Mit dem neuen Sicherheitsgesetz will die Regierung in Frankreich auf die Gefahr des Terrorismus reagieren, die durch den Mord an dem Lehrer Samuel Paty durch einen islamistischen Jugendlichen wieder aktuell geworden ist. Ist es da nicht logisch, dass die Polizei gestärkt wird?
Klar. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist, verständlicherweise nach diesen wiederholten Terrorangriffen und gewaltsamen Zusammenstößen, die es immer wieder bei Demonstrationen und Protesten gibt, groß.
Die Polizei möchte zum Beispiel mehr Überwachungskameras installieren, die auch mit Gesichtserkennung ausgerüstet sind. Da sagen viele, das klingt nach chinesischen Verhältnissen, wo solche Kameras ja an jeder zweiten Straßenkreuzung montiert sind.
Es soll Dronen geben, die eingesetzt werden um Demonstrationen zu filmen und andere öffentliche Ereignisse.
Das sind Ideen, die auch politisch umstritten sind. Den rechten Parteien gehen diese Maßnahmen zu wenig weit. Die linke Opposition sagt, es ist nicht bewiesen, dass mehr Kompetenzen für die Polizei Terroristen abhalten würde. Präsident Macron hat auf den Terror zuletzt sehr hart reagiert, besonders gegen islamistische Strömungen unter den französischen Muslimen. Aber jetzt fragen viele, ob sein Innenminister mit seiner Verteidigung der Polizei, angesichts der Übergriffe, die bekannt geworden sind, zu weit gegangen ist. Diese politische Unsicherheit vergiftet das Klima im Land.
Was ist denn nach den Terroranschlägen von Anfang November, gegen den Lehrer in einem Vorort von Paris und in einer Kirche in Nizza, konkret passiert?
Es sind mehrere radikale islamische Organisationen aufgelöst worden und eine Moschee, die radikale Videos verbreitet hat, ist geschlossen worden. Weitere Moscheen sollen noch geschlossen werden.
Auswirkungen hat die Situation vor allem an den Schulen. Es hat sich gezeigt, dass es für Lehrer lebensgefährlich sein kann Mohammedkarikaturen anzusprechen und über das Recht auf Satire und Blasphemie zu diskutieren. Manche Lehrer sagen, sie haben Angst heikle Themen auch nur anzusprechen.
Die Schulen sind angewiesen sofort die Polizei zu informieren, wenn Schüler irgendetwas sagt, was als Sympathien für Terrorismus interpretiert werden kann.
Pädagogen sagen, mit Teenagern wird man nie offen diskutieren können, wenn mental die Polizei mit dabei ist. Es sind schwierige Fragen in einer angespannten Situation.
Präsident Macron war für viele ein Politiker, der einen Aufbruch signalisiert und Zuversicht ausstrahlt . Was von diesem Charme des jungen Präsidenten noch übrig nach diesen vielen Krisen und Protestbewegungen?
Macron ist ein Politiker mit großen Charisma, er ist ein Politiker mit intellektueller Kraft, diese Stärke spielt er noch immer aus. Aber er kann nicht mehr so wie früher als Visionär auftreten, weil ihm vieles nicht so gelungen ist, wie er sich das vorgestellt hat.
Tatsächlich stehen in Frankreich in eineinhalb Jahren Präsidentschaftswahlen bevor. Es wird für Macron um eine zweite Amtszeit gehen, da muss er sich neu erfinden,
Macron stellt jetzt ganz Sicherheit ins Zentrum seiner Politik, die Grenzen will er stärker kontrollieren und es gibt viele harte Worte gegen islamistische Extremisten. Manchmal hat man den Eindruck, dass er seiner rechten Konkurrentin Marine Le Pen die Themen wegnimmt. Dieses Kalkül bildet den politischen Hintergrund der der gegenwärtigen Unsicherheit in Frankreich.

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