Machtwechsel in Taiwan fix, MiJ, 16.1.2016

In Taiwan fanden heute mit Spannung erwartete Wahlen statt, die über den weiteren politischen Kurs des Inselstaates entscheiden werden. Meinungsumfragen sagten schwere Verluste für die regierende Kuomintangpartei voraus, die auf engere Beziehungen zu Festlandchina gesetzt hat. Über einen möglichen Machtwechsel zu der gegen China skeptischen Opposition in Taiwan gibt sich Peking besorgt. Die Volksrepublik China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz an, die irgendwann zum Mutterland zurückkehren muss.
Das Wahlergebnis wird erst in eineinhalb Stunden erwartet. Aber der Spitzenkandidat der Kuomintang hat seine Niederlage bereits eingestanden. Vor seinen geschockten Anhängern hat er sich entschuldigt.
Die Nachrichtensender in Taiwan gehen übereinstimmend von einem Erfolg der Oppositionskandidatin Tsai Ing Wen aus. Sie wird die erste Frau an der Spitze Taiwans. Die langjährige Regierungspartei Kuomintang, die sich zuletzt mit dem Festland gut arrangiert hat, ist abgewählt worden. Die Kuomintang beruft sich auf Tschiang Kai Schek, der sich eins nach der Niederlage gegen Maos Kommunisten auf die Insel zurückgezogen hat. Ob die oppositionelle Demokratische Fortschrittspartei auch im Parlament auf eine Mehrheit zählen kann, ist noch offen. Aber der Machtwechsel in Taiwan scheint perfekt.
Die Insel ist politisch unabhängig, nach Jahren der Diktatur Tschaing Kai Scheks hat sich ein lebendiges Mehrparteiensystem entwickelt. Aber Peking beharrt darauf, dass es sich um eine abtrünnige Provinz handelt, mit der es irgendwann einmal eine Wiedervereinigung geben muss. Wenn nötig ist die Volksrepublik auch bereit Waffen einzusetzen.
Die jetzt erfolgreiche bislang oppositionelle Demokratische Fortschrittspartei setzt auf Distanz zu China. In ihrem Programm verlangt sie sogar die formelle Unabhängigkeit für die Insel. Statt Republik China würde das Land dann Republik Taiwan heißen, was für Peking unakzeptabel ist. Die Annäherung in den letzten Jahren basierte auf der Grundlage der Kompromissvorstellung, dass es nur ein China gibt, auch wenn das Peking und Taipeh unterschiedlich interpretieren.
Der Erfolg der Peking-skeptischen Parteien bei den einzigen freien Wahlen auf chinesischem Territorium ist ein empfindlicher Rückschlag für die Umarmungsstrategie der Volksrepublik China. Vor allem die Jugend in Taiwan will auf Distanz zu China gehen.
Ich denke, die neue Präsidentin wird einiges anders machen als bisher, hofft dieser junge Mann in einer Esstraße von Taipeh. Unsere Regierung hat sich China viel zu sehr angenähert.
Dagegen erklärt eine Frau, warum sie doch die Kuomintang gewählt hat: das Volks in Taiwan braucht Stabilität, das war für sie wahlentscheidend.
Wahlsiegerin Tsai Ing Wen gilt als Pragmatikerin. Trotz aller Skepsis gegenüber Peking wird schon aus wirtschaftlichen Gründen von ihr keine Abkehr von der Rücksichtsnahme auf China erwartet. Aber sie hat eine bessere Verteidigung der Souveränität Taiwans versprochen. Wie Peking auf diese Ohrfeige reagiert, wird für die Stabilität in Asien von entscheidender Bedeutung sein.