Die Verhandlungen zwischen Trumps Abgesandten Steve Wittkoff, einem New Yorker Immobilieninvestor, und dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi im Oman sind eine der wenigen positiven Entwicklungen in der Weltpolitik. Donald weiterlesen...

Journalist und Historiker
Steht das Ende der Kurdischen Arbeiterpartei PKK bevor? Welche Folgen hat der Aufruf zur Selbstauflösung von Abdullah Öcalan für die Region? Diese Fragen bewegt die Türkei, Syrien und alle Staaten, in denen Kurden wohnen. Die PKK führt seit Jahrzehnten einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat. Sie ist verboten und wird vom Westen als Terrororganisation bezeichnet. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst hat der historische Anführer Öcalan aus dem türkischen Gefängnis das Ende der kurdischen Untergrundorganisation proklamiert.
Auf Knopfdruck lässt sich ein Bürgerkrieg mit vielen tausend Opfern nicht beenden. Aber ein politischer Prozess setzt ein, der im Idealfall zu einer politischen Lösung für die Anliegen der kurdischen Minderheit und einem Ende der Gewalt führen könnte.
Dem Vereinigten Königsreich und dem Spanischen Staat ist ein solches Kunststück gelungen. Verhandlungen der britischen Regierung unter Tony Blair führten zu einem Friedensabkommen mit der Irischen Republikanischen Armee IRA. Sinn Fein, früher der politische Arm der IRA, ist heute Regierungspartei in Nordirland. Jahre später löste sich in Spanien die baskische Untergrundorganisation ETA auf. Die Nationalisten regieren in der Baskenprovinz und mischen in Madrid im Parlament mit.
Die Situation der Türkei ist heute anders. Präsident Recep Tayyib Erdogan ist nicht Tony Blair. Die Anzeichen fehlen, dass auf die Auflösung der PKK eine Demokratisierung folgen könnte, wie einst in Nordirland. Erdogan lässt kurdische Bürgermeister verhaften. Der autoritäre Islamist hat in seiner langen Laufbahn immer wieder Konzessionen in Richtung der Kurden gemacht. Die kurdische Sprache ist erlaubt und die mehrheitlich kurdische DEM-Partei (Partei für Emanzipation und Demokratie der Völker) ist im Parlament in Ankara vertreten.
Hinter der Erklärung des Kurdenführers, der zur Auflösung de PKK führen soll, steckt ein Deal, dessen Details wir nicht kennen. Türkeiexperte Cengiz Günay ist skeptisch, dass die Öffnung Erdogans gegenüber den Kurden zu einer Liberalisierung führen wird. Zeichen der demokratischen Öffnung sind für den Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik keine erkennbar. Erdogan und seinen ultranationalistischen Verbündeten geht es um einen Schachzug, der ihre Macht auszubauen soll. Der Präsident strebt eine dritte Amtszeit an. Dazu müsste die türkische Verfassung geändert werden, was wegen der dazu erforderlichen Zweidrittelmehrheit nur mit Unterstützung kurdischer Abgeordneter im Parlament möglich wäre. Die Sorge der Opposition ist, dass die DEM-Partei umfällt und grünes Licht für eine weitere autoritäre Entwicklung gibt, sagt Günay.
Die Annäherung der islamistisch-konservativen Regierungslagers an die Kurdenparteien läuft über die Person des wichtigsten politischen Gefangenen des Landes. Abdullah Öcalan ist für Millionen Kurden eine Kultfigur. Fahnen mit dem Konterfeil Öcalans flattern am 1.Mai am Wiener Rathausplatz und hängen in Regierungsgebäuden im kurdisch dominierten Norden Syriens. Als Terrorist gesucht war Öcalan vom türkischen Geheimdienst in einer gemeinsamen Aktion mit dem CIA vor 26 Jahren in türkische Gefangenschaft gekommen. Er war auf illegaler Weise in Kenia gekidnappt worden.
Als politischer Gefangener hat Öcalan seine Ideologie vom strengen Marxismus-Leninismus-Stalinismus zu einer Art ökologisch-grünen Selbstverwaltungssozialismus verändert. Der Personenkult und die straffen Strukturen seiner Untergrundorganisation sind geblieben. Anschläge gegen das türkische Militär und andere Einrichtungen des Staates sind in den letzten Jahren selten geworden. Die PKK-Kämpfer haben sich mit ihren Kommandanten in die schwer zugänglichen Bergregionen des Kandilgebirges auf irakischem Staatsgebiet zurückgezogen. Militärisch ist die PKK für die Türkei keine Bedrohung, politisch ist ihr Prestige nach wie vor groß.
Im Norden Syriens dominieren kurdische Kämpferinnen und Kämpfer, die auf Öcalan als symbolischem Übervater eingeschworen sind. Die Türkei bekämpft die Milizen in Syrien als Ableger der PKK. Gleichzeitig werden die Kurden in Syrien jedoch von den USA mit einigen tausend Soldaten unterstützt. Sie sind ein Bollwerk gegen die Dschihadisten des Islamischen Staates IS. Tausende IS-Gefangene und ihre Familien werden von den Lokalbehörden in zahlreichen Gefängnislagern festgehalten.
Rojava ist die Bezeichnung, die die PKK-nahen kurdischen Aktivistinnen und Aktivisten dem Projekt einer eigenen Regionalverwaltung geben. In Abgrenzung zu konservativen Islamisten haben Frauen einen wichtige Rolle. Die syrischen Kurden kommen durch den Selbstauflösungsbefehl Öcalans in eine extrem schwierige Situation. Offiziell begrüßt man den Aufruf, erklärt sich aber als nicht betroffen, weil man sich selnst nicht als Zweigstelle der PKK ansieht.
Politisch ist die Abkehr vom Befreiungskampf durch den historischen Führer für kurdische Nationalisten schwer zu verkraften. Dazu kommt die Sorge, dass stark die schützende Hand des amerikanischen Militärs mit Donald Trump als US-Präsident bald verschwunden sein könnte. Trump hat schon in seiner ersten Amtszeit auf Drängen des türkischen Machthabers Erdogan US-Soldaten aus den syrischen Kurdengebieten abgezogen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Kurden von den eigenen Verbündeten verraten werden.
Bei aller Skepsis beinhaltet die neue Situation trotzdem Chancen. Die Erklärung Öcalans ist durch Funktionäre der linken prokurdischen DEM-Partei vor laufenden Kameras verlesen worden. In kurdischen Städten gab es ein Public Viewing. Tausende verfolgten atemlos das Geschehen. Die Erdogan-Regierung hatte die Verhandlungen mit Öcalan organisiert und gab dem Vorgang ihren Segen. Der seit 26 Jahren inhaftierte Öcalan äußert keine Forderung nach kulturellen und politischen Rechten für die Kurden und zieht sich auf ein allgemeines Bekenntnis zum demokratischen Prozedere zurück. Für viele seiner Anhänger ist das unverständlich.
In einem Punkt zeigt sich Erdogan, der den gesamten Prozess angestoßen hat, als Pragmatiker: der Begriff des Terrorismus, der in der Propaganda der Staaten gerne als politische Schlüsselkategorie eingesetzt wird, verliert schlagartig an Bedeutung, wenn das politisch opportun ist. Terroristische Handlungen mit vielen Opfern setzen Staaten genauso wie Untergrundorganisationen. Friede muss man mit Feinden machen, egal wer jetzt der größere Terrorist ist.
Dass hinter Erdogans Öffnung gegenüber den Kurden ein politisches Kalkül steckt, bedeutet nicht, dass eine friedliche Entwicklung unmöglich ist, sagt Cengiz Günay. Ob die Hoffnung auf ein neues Kapitel für die Kurden nach dem Selbstauflösungsbefehl Öcalans für die PKK enttäuscht wird oder nicht, hängt von der Türkei und primär ihrem mächtigen Präsidenten Erdogan ab.
P.S.: Die Verhaftung des populären Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu ist ein böses Zeichen, dass die Öffnung zu den Kurden ein Schachzug ist, um den Widerstand gegen die Repression gegen die Opposition zu schwächen.