Kriegsgefahr nach Attacken auf saudische Ölanlagen, 19.9.2019

Saudi Arabien macht jetzt offiziell den Iran für die Angriffe auf die größte Ölraffinerie des Landes und eine weitere riesige Ölanlage verantwortlich. Die saudische Regierung widerspricht damit den Huthi-Rebellen im Yemen, die die Drohnenangriffe für sich reklamiert haben. Was bedeutet diese Schuldzuweisung für die Region?
Das Risiko einer weiteren Eskalation ist deutlich größer geworden. Die Saudi waren ja unmittelbar nach den Angriffen noch eher zurückhaltend. Sie haben gesagt man wird alle Informationen der internationalen Gemeinschaft vorlegen, damit es zu gemeinsamen Schlüssen kommt.
Wenn die Saudis jetzt direkt den Iran beschuldigen, hinter diesen Angriffen zu stecken, dann setzen sie sich selbst unter Zugzwang irgendwie zurückzuschlagen.
Der amerikanische Außenminister Mike Pompeo sagt direkt, das war ein Akt des Krieges. Das ist Zündstoff für die gesamte Region.
Der Iran ist der Erbfeind des konservativen Köngisreiches in Saudi Arabien. Das Regime in Teheran ist aus der Islamischen Revolution unter Chomeini hervorgegangen. Es gibt einen brutalien Konkurrenzkampf, zwischen sunnitischen Saudis und schiitischen Iranern, wer die Vorherrschaft in der Region hat.
Die iranische Regierung hat ebenfalls reagiert und in einem offiziellen Schreiben jede Verantwortung für diesen Angriff zurückgewiesen. Das iranische Schreiben ist an die USA gerichtet, es wurde der Schweizer Botschaft in Teheran übergeben. Es gibt ja keine diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und dem Iran, die Schweiz ist Vermittler.
In der Botschaft steht, sollte es zu einem Militärschlag gegen den Iran kommen, werde man zurückschlagen und zwar- Zitat – die „Dimensionen eines solchen Gegenschlages wären nicht begrenzt“. Das heisst der Iran droht mit einem ganz großen Krieg, auch wenn es vielleicht nur einen beschränkten Militärschlag der Saudis und der Amerikaner gäbe.

Seit dem Anschlag sind sowohl amerikanische als auch saudische Spezialisten vor Ort, um mehr über die Angriffe vom vergangenen Samstag herauszufinden. Was hat man denn genau untersucht, ist das bekannt?
Man kann Einschusslöcher untersuchen, daraus ist vielleicht festzustellen, wo die Geschoße hergekommen sind, aus dem Süden, wo der Jemen liegt, oder aus dem Osten und Nordosten, das wäre iranisches oder irakisches Gebiet.
Es wird die Kommunikation rund die Anschläge untersucht, da wird ja sehr viel durch Spionagesatelitten aufgezeichnet, aber die Verwertung dauert Zeit.
Die Saudis haben ja Trümmer gezeigt, die von Marschflugkörpern herrühren und sie sagen, das kommt aus iranischer Produktion
Nur: wo genau diese Waffen genau abgeschossen wurden, das ist nicht zu entnehmen.
Es sind die materiellen Folgen dieser Angriffe riesig, es kann um vieles weniger Erdöl exportiert werden. Aber für die Saudis ist vor allem der immaterielle Schaden kaum gutzumachen. Das ist das Land mit den größten Waffeneimporten der Welt. Milliarden und Abermilliarden werden ausgegeben, um die modernsten Waffen aus Amerika zu beschaffen. Und dann kann dieses Land eine solche Attacke nicht abwehren, mit dutzenden Drohnen und Marschflugkörper. Das nährt die Zweifel, was dieser ganze Sicherheitsapparat des Königreiches überhaupt wert ist.

Donald Trump hat seinen Außenminister Pompeo nach Saudi Arabien geschickt. Pompeo hat von Anfang an den Iran beschuldigt. Welche Optionen haben die USA denn angesichts dieser sich verschärfenden Gegensätze in der Region?

Mike Pompeo sagt auch, das sei ein Kriegsakt gewesen, was radikaler ist, als alles, was man von Donald Trump hört. In Washington liegen mehrere Optionen auf dem Tisch. Dazu gehört Luftangriffe auf iranische Militäranlagen, auf iranische Ölfelder und Cyberangriffe gegen den Iran, die es früher auch schon gegeben hat.
Trump hat gesagt, er wird die Wirtschaftssanktionen verschärfen. Aber insgesamt hat man den Eindruck er, kann sich nicht entscheiden, einmal sagt er, er ist bereit mit den Iranern zu verhandeln, dann verschärft er die Sanktionen, was Verhandlungen unmöglich macht.
Klar dürfte sein: einen großen Krieg will Trump nicht riskieren, das wäre eine große Belastung für seine Wiederwahl.
Die große Frage ist: werden die USA militärisch gegen den Iran vorgehen, alleine oder gemeinsam mit Verbündeten. Und wenn es Militärschläge gibt, welcher Art? Sollen das Militäranlagen sein, von denen man glaubt, dass diese Drohnen und Marschflugkörper abgeschossen wurden, und wären solche Angriffe rasch vorbei?
Das Risiko, dass dann der Iran wieder irgendwo zuschlägt oder zuschlägen lässt hat Donald Trump dazu gebracht ziemlich vorsichtig zu reagieren in der Praxis. Auf Twitter ist er immer sehr kriegerisch, in der Wirklichkeit weniger.
Die Iraner setzen für ihre Militäraktionen Verbündete ein, das heisst Milizen die vom Irak aus agieren oder von Syrien aus oder eben auch vom Jemen aus. Dass es überall dort proiranische Milizen gibt, die aus dem Iran Waffen bekommen und manchmal auch Militärberater, das ist ein Zeichen für den wachsenden Einfluss der Islamischen Republik Iran in der Region.
Es gibt ja sogar in Saudi Arabien selbst eine schiitische Minderheit, genau in der Region, in der die Raffinerie angegriffen wurde, im Osten des Landes. Und das ist ein Alptraum für die Saudi, dass es für den größten Außenfeind Verbündete im Landesinneren geben könnte.

 

Begonnen hat diese Serie von Konfrontationen mit dem Ausstieg der USA aus dem Atomdeal mit dem Iran. Die Europäer genauso wie Russland und China wollen diesen Deal trotzdem erhalten. Sind die Chancen auf Entspannung jetzt geschwunden?
Die Europäer spielen Nebenrollen in diesem Konflikt. Vor allem Frankreich hat ja hartnäckig versucht das Atomabkommen doch noch zu retten. Präsident Macron möchte eine europäische Kreditlinie über 15 Milliarden Euro schaffen, über die der Iran Erdöl verkaufen können soll, was ihm durch die amerikanischen Sanktionen verwehrt ist. Aber auch das ist für die nächste Zeit ausgeschlossen.
Was den Europäern einen gewissen Spielraum verschafft, das ist die Tatsache, dass sowohl die Amerikaner als auch die Saudis international ein Glaubwürdigkeitsproblem habe. Die Amerikaner, weil sich alle an die angeblichen Beweise für Massenvernichtungswaffen des Irak vor dem Irakkrieg erinnern, die gefälscht waren. Da sagen viele, warum soll man amerikanischen Beweisen heute glauben?
Und die Saudis haben Glaubwürdigkeitsprobleme, weil vielen noch die brutale Ermordung des kritischen Journalisten Kashoggi in Erinnerung ist, der im saudischen Konsulat in Istanbul umgebracht wurde, und bis heute leugnet die Staatsführung ihre Verantwortung. Auch nicht gerade ein Zeichen, dass man alles für bare Münze nehmen kann, was die Saudis sagen.
Die Franzosen sagen zum Beispiel, es liegen ihnen keine Beweise vor, dass die Angriffe von den Iranern durchgeführt wurden. Aber große Hoffnungen, dass sie sich Gehör verschaffen können, haben die Europäer nicht.
Bemerkenswert ist, wenn man verhindern will, dass die Situation außer Kontrolle gerät, dann muss man sich um die Unterstützung von Donald Trump bemühen, der durch seine Unberechenbarkeit so oft Krisen anheizt. Gegenüber ist Trump immer wieder davor zurückgeschreckt mit militärischen Mitteln vorzugehen. Trumps Anhänger wollen, dass sich die USA aus den Verpflichtungen in der Welt zurückziehen. Und das zählt vor einem amerikanischen Wahljahr. Aber natürlich kann jetzt auch leicht eine Situation entstehen, in der sich Trump durch seine Bündnispolitik und seine Drohungen in eine Situation hineinmanöviert, in der er glaubt, dass es ihm noch mehr schadet, wenn er nichts tut oder wenig tut, als wenn er das Risiko eingeht militärisch zuzuschlagen.

 

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