John Bolton, Donald Trump und die Krise Amerikas

Als amerikanischer UNO-Botschafter war John Bolten einst die Verkörperung des Ugly American. Kein anderer Politiker hat die Verachtung der Supermacht für die Weltorganisation so ungezügelt zum Ausdruck gebracht. Er war über Jahre der außenpolitische Star der amerikanischen Rechten. Als Nationaler Sicherheitsberater für Donald Trump konferierte er mehrmals täglich mit dem Präsidenten im Oval Office oder am Telefon. Dementsprechend spektakulär ist es, wenn Bolton in seinen Memoiren das Machtzentrum Amerikas als Tollhaus beschreibt.
Aufdeckungsbücher über das Chaos im Weißen Haus hat es viele gegeben. Mit Bolton fällt ein enger Weggefährte das Urteil, eine zweite Amtszeit Trumps wäre eine Gefahr für die Republik. Sollte Trump die Wiederwahl verlieren, wird der Dolchstoß des schnauzbärtigen Hardliners einen gewichtigen Anteil haben.
Das Weiße Haus wollte die Veröffentlichung verhindern, weil angeblich Staatsgeheimnisse preisgegeben werden. Tatsächlich zitiert John Bolton aus zahlreichen Vier-Augen-Gesprächen mit Trump&Co. Der zuständige Richter hat die Forderung nach Blockade des Buches zurückgewiesen. Der Inhalt gilt als glaubwürdig.
Bolton bestätigt, wie unberechenbar der Präsident ist. Etwa wenn der Arbeitstag des Nationalen Sicherheitsberaters um sechs Uhr früh damit beginnt, Trumps nächtliche Tweets zu bearbeiten, in denen das Gegenteil der Beschlüsse vom Vortag steht. Die täglichen Briefings über die Weltlage durch den Geheimdienstchef hat Trump auf zweimal in der Woche reduziert. Dabei redet allerdings meist Trump selbst. Seine Informationen bezieht er vom TV-Sender Fox News. Der CIA gehört für Trump zum Deep State, den er hasst.
Die Memoiren belegen die inhaltlichen Differenzen, die Bolton seinen Job gekostet haben: Trump will Kriege nur auf Twitter führen, nicht auf den Schlachtfeldern der Militärs. Bolton hat für jede Krise eine militärische Lösung. Er hält den Irakkrieg heute noch für richtig. Die Aufkündigung des Nuklearabkommens mit dem Iran, die er als seinen größten Erfolg feiert, ist für ihn nur ein erster Schritt zum Regime Change in Teheran. Die Andeutungen Trumps, er könnte mit dem Obersten Führer des Iran verhandeln, ist Bolton ein Graus.
Dass die USA unter Trump ihre Kriegsdrohungen gegen Nordkorea nicht umgesetzt haben, hält er für einen Kardinalfehler. Die Romanze des amerikanischen Präsidenten mit dem nordkoreanischen Diktator konnte er nicht verhindern.
Natürlich ist es widerwärtig, wie sich der amerikanische Präsident zu autoritären Herrschern hingezogen fühlt. Dass er Xi Jinping versichert, China habe hunderttausende Angehörige der islamischen Minderheit der Uiguren zurecht interniert, ist ein Skandal. Aber die folgenschwersten Schläge gegen chinesische High Tech-Firmen nimmt Trump zurück. Den totalen Handelskrieg, den die antichinesische Fraktion in Washington verlangt, will er vermeiden.
Sogar beim Kampf um Venezuela schließt Trump die Möglichkeit einer gütlichen Einigung mit amerikafeindlichen Machthaber Maduro nicht aus. Während der Nationale Sicherheitsberater mit abtrünnigen Militärs in Caracas einen Umsturz plant, würde Trump Maduro am liebsten persönlich treffen. Es kommt weder zum Umsturz noch zum Treffen.
Bolton beschreibt, wie Trump in den internen Besprechungen sein Ziel wiederholt, die endlosen Kriege Amerikas zu beenden. Aus Afghanistan will er amerikanische Soldaten so schnell wie möglich zurückziehen. Die Vorstellung der geopolitischen Rivalität mit Russland ist dem US-Präsidenten fremd.
Zur merkwürdige Unterwürfigkeit Trumps gegenüber Vladimir Putin hat Bolton wenig erhellendes hinzuzufügen. Beim Vieraugengespräch Trump-Putin in Helsinki 2018 durfte er nicht dabei sein. Er bestätigt jedoch, dass Trump der amerikanischen Protokollantin verboten hat Notizen zu machen. Eine ungewöhnliche Anweisung. Bolton konnte nur erreichen, dass die gestresste Mitarbeiterin das Zwiegespräch aus dem Gedächtnis rekonstruierte.
Angela Merkel macht in einem Interview mit internationalen Blätter deutlich, dass der Rückzug Amerika als Supermacht nicht mehr zu ändern ist. Boltons Bericht aus dem Inneren verdeutlicht, wie wirr und inkompetent dieser Schwenk verläuft. Mit dem eigenen Präsidenten ist der Hardliner nur einig, dass das alte System der völkerrechtlichen Verpflichtungen zerstört werden muss. Weltpolitik besteht für beide Herren aus ungezügelten nationalen Machtkämpfen, es ist nicht die Arena zur Lösung globaler Probleme. Die Führungsrolle der USA beruhte auf einem Grundkonsens der amerikanischen Eliten. Diese Stabilität ist verschwunden, egal wer aus den Präsidentschaftswahlen des 3.November als Sieger hervorgeht.

ZUSATZTEXT
“The Room Where it Happened”
Von April 2018 – September 2019 war der Ultrakonservative John Bolton Nationaler Sicherheitsberater im Weißen Haus. Beim Amtsenthebungsverfahren gegen Trump war Bolten seinen Job bereits los, aber er hat geschwiegen. Für seine Memoiren soll er jetzt 2 Millionen Dollar kassiert haben.

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