Der amerikanisch-russische Gipfel in Alaska hat Europa aufgeweckt. Der alte Kontinent mobilisieren all seine Kräfte um zu verhindern, dass die Supermacht Amerika die um ihre Freiheit ringende Ukraine aufgibt. Einen weiterlesen...

Journalist und Historiker
Mit den Luftangriffen im Libanon, durch die Hisbollah Chef Hassan Nasrallah gezielt ermordet wurde, verändert Israel das Kräfteverhältnis in der Region. Die schiitische Partei Gottes ist schwer getroffen. Der Einmarsch mit Bodentruppen droht den Südlibanon zu einem zweiten Gaza zu machen. An den Stränden von Haifa wurde gefeiert. Genauso wie bei den islamistischen Rebellen Syriens, die mit Hisbollah verfeindet sind. Der Jubel ist schändliche Barbarei. Die Zivilisten, die in den bombardierten Hochhäusern von Beirut umgekommen sind, bleiben namenslos.
In der allgemeinen Hurrastimmung wird vergessen, dass Nasrallahs Aufstieg begann, als sein Vorgänger in den 1990-er Jahren mit Frau und Kind von einem israelischen Helikopter aus getötet wurde. Israel praktiziert seit langem die gezielte Ermordung seiner Feinde im Libanon, in den Palästinensergebieten und im Iran. Sicherheit hat die Strategie keine gebracht.
Die Hisbollah stützt sich auf die schiitische Volksgruppe im Libanon. Radikalisiert hatten sich die Schiiten im mehrjährigen Widerstand, als Israel den Südlibanon besetzt hielt. Die Israelis wollten die bewaffneten Palästinensergruppen vertreiben, brachten aber sehr rasch auch die schiitische Bevölkerung gegen sich auf. Der Iran lieferte Waffen und schickte Instruktoren. Die Selbstmordanschläge wurden präziser und blutiger. 2000 zogen die Israelis ab.
Unter Hassan Nasrallah errichtete die schiitische Partei Schulen, Versorgungszentren und Spitäler. Die Hisbollah wurde zu einem mafiösen Staat im Staat und zum wichtigsten Verbündeten des Iran in der Region. Westliche Geheimdienste sprechen von bis zu 150 000 Raketen unterschiedlichster Reichweite, die der Iran in die Bunker im Libanon geliefert hat. Im Fall eines großen Krieges sollten die Milizionäre vom Grenzgebiet aus auf der Seite Teherans aktiv werden.
Dieses Kalkül hat das israelische Militär zerstört. Die Geheimdienste konnten das Kommunikationsnetzwerk der Hisbollah lahm legen. Mit Sprengstoff präparierte Pager und Walkie Talkies explodierten in Supermärkten und Spitälern. Jetzt wurde die unterirdische Kommandozentrale wurde geortet und ausgelöscht. Gegenüber der Hamas hatten die israelischen Dienste am 7.Oktober versagt. Jetzt ist der Ruf der eigenen Überlegenheit wieder hergestellt.
Allerdings: niemand weiß, welche politischen Ziele Israel mit den militärischen Erfolgen im Libanon und der Zerstörung der Hamas in Gaza verfolgt.
Benjamin Netanjahu hat durch sein Vorgehen gegen den Libanon die USA brüskiert. Die Biden-Administration wollte gemeinsam mit Frankreich und arabischen Staaten einen Waffenstillstand von 21 Tagen durchsetzen. Die Hisbollah sollte sich aus dem Grenzgebiet zurückziehen, wie von Israel gefordert wurde. Netanjahu signalisierte den Amerikanern, dass er einverstanden ist. Stunden später musste man in Washington feststellen, dass der Angriff auf die Zentrale der Hisbollah in Wirklichkeit längst angelaufen war.
Netanjahu gab den Befehl von seinem New Yorker Hotelzimmer unmittelbar vor der Rede in der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Demonstrativ ließ er sich bei dem Telefonat fotografieren. Bei seinem Auftritt verließen viele der 193 Delegationen den Saal, aus Protest gegen die wiederholte Weigerung Israels die Diskriminierung der Palästinenser zu beenden. Vom Rednerpult aus sprach der Ministerpräsident scharfe Warnungen gegen den Iran aus. Im Augenblick der gefühlten militärischen Allmacht ist Israel international aber so isoliert wie noch nie.
Nachrichtenagenturen melden, dass der oberste geistige Führer des Iran Ajatollah Ali Chamenei von seinem üblichen Amtssitz an einen sichereren Ort gebracht wurde. Die Islamischen Republik scheint einen israelischen Angriff auf die Staatsführung nicht auszuschließen. So wie die libanesische Hisbollah könnten auch der iranische Sicherheitsapparat unterwandert sein. Es ist seit langem eines der Ziele Benjamin Netanjahus den Bau von Atomwaffen durch den Iran zu verhindern.
Wie sehr Hisbollah militärisch noch handlungsfähig ist, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Einen gefährlichen Schluss aus den Erfahrungen der letzten Tage zieht Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Kushner wollte in der Ära Trump im Weißen Haus Saudi Arabien zu einer Verständigung mit Israel und einem gemeinsamen Vorgehen gegen Teheran bewegen. Jetzt verlangt Kushner, dass die Methoden von Gaza und Beirut auch gegen den Iran angewandt werden. Im Gegensatz zu solchen Kriegsphantasien will Joe Biden einen Modus Vivendi mit Teheran. Solange nicht klar ist, wer in Washington DC zukünftig regiert, ist die Situation im Nahen Osten nach der Ausschaltung der Hisbollahführung noch unberechenbarer geworden.
Fluchttragödie Libanon
Laut UNO gibt es durch die Kämpfe 210 000 neue Flüchtlinge im Libanon. 50 000 sind in das Bürgerkriegsland Syrien geflohen. 60 000 Israelis warten auf ihre Rückkehr nach Nordisrael. Die libanesische Regierung nennt 1600 Opfer der israelischen Angriffe, darunter hunderte Frauen und Kinder. Die Hisbolla-Raketen gegen Israel wurden abgefangen.