Falter Maily vom 18.6.2020

Es ist einige Jahre her, dass Julius Meinl auf dem amerikanischen Markt Fuß fassen wollte. Ich erinnere mich an eine Pressekonferenz der Meinl-Chefs bei Kaffee und Kuchen in Washington DC. Das Meinl-Symbol, der Mohrenkopf, das Bild eines schwarzen Sklavenkindes, war in der amerikanischen Version silbrig verfremdet. Die erstaunten Journalisten erkundigten sich nach dem Hintergrund. Etwas beschämt erklärten die Vertreter aus Wien, dass der Mohrenkopf die amerikanischen Kunden wohl abstoßen würde, darum die Verfremdung. In Europa sei die Political Correctness nicht so verbreitet, man habe nicht vor etwas zu ändern.

Um das rassistische Label hat es in Österreich immer wieder Diskussionen gegeben. Die Meinl-Chefs, die in Amerika ganz anders argumentierten, behaupten gerne, das Ganze sei ein Missverständnis. Es stört bis heute nur wenig, dass auf Tassen, Kaffee und Marmeladen ein Symbol der Menschenverachtung prangt. In den USA ist rassistische Polizeigewalt schlimm, aber rassistische Signale in der Öffentlichkeit sind weniger akzeptiert als bei uns.

Umso erstaunlicher ist es, warum in den USA so viele der wichtigsten Kasernenkomplexe der US-Army, Air Force und Navy nach Südstaatengenerälen benannt sind. Die Militärbasen Fort Bragg in North Carolina, Fort Hood in Texas und Fort Benning in Georgia sind allen Amerikanern ein Begriff und tragen die Namen führender Offiziere der Konföderation.

Der Sezessionskrieg 1861-1865 war das größte Massaker, das Nordamerika je erlebt hat, mit mehr Toten als alle nachfolgenden Kriege. Mit ihrer Rebellion wollten die Südstaaten die Sklaverei verteidigen, die längst als Verbrechen gegen die Menschlichkeit geächtet war. Die militärischen Vorbilder, die das Pentagon präsentiert, sind ein eklatanter Gegensatz zur Freiheitsrhetorik Amerikas in der Welt.

Die Anomalie erklärt sich aus der historischen Entwicklung. Der Reconstruction nach dem Sieg der Nordstaaten im Bürgerkrieg folgte rasch ein Comeback der rassistischen Eliten des Südens. Die Sklaverei war abgeschafft, aber durch die sogenannten Jim Crow-Gesetze zur Rassentrennung kam es zu einem Roll Back der Rechte von Afroamerikanern, der erst durch die Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre beendet wurde. Die amerikanische Militärführung war vor dem Ersten Weltkrieg hektisch auf der Suche nach Territorien für neue Kasernenkomplexe; in den Südstaaten willigten Gouverneure und Bürgermeister nur bei einer Rehabilitierung der Führung der Konföderation der Sklavenhalterstaaten ein. Die Folge sind entsprechende Denkmäler auf dem Kapitol und die anstößigen Namen der Kasernen.

Das Pentagon wollte dieser Tage die umstrittenen Namen überprüfen und Alternativen vorschlagen. Afroamerikanische Militärs klagen, dass es schwer erträglich sei einer Institution zu dienen, die Propagandisten der Sklaverei ehrt. Donald Trump hat die antirassistische Gewissenserforschung in einer wütenden Geste auf Twitter gestoppt.

Aber die Stimmung geht in die entgegengesetzte Richtung. Der Gouverneur von Virginia will das Denkmal von Südstaatengeneral Jefferson Davis in der Hauptstadt Richmond entfernen lassen. In mehreren Städten haben Demonstranten Statuen des Südstaatengenerals Robert Lee attackiert. Die US-Marines wollen keine Südstaatenflagge mehr auf offiziellen Veranstaltungen zulassen. Und sogar Nascar, ein populäres Autorennen der Rednecks in den USA, verbietet die Südstaatenfahne, die bisher ein Fixpunkt bei allen Rennen war.

Die Antirassismusproteste in den USA und Europa halten unseren Gesellschaften zurecht eine Kontinuität vor Augen, die wir meist nicht so präsent haben, meint

Bei der Recherche zu meiner Kolumne im Falter zu dem Thema bin ich auf Starökonom Thomas Piketty gestoßen, der in seiner Kolumne in Le Monde an die offenen Rechnungen der Sklaverei erinnert. Abraham Lincoln versprach den befreiten Sklaven nach dem Sieg einen Maulesel und 40 Acres (40.000 Quadratmeter) Land. Zu der Entschädigung ist es nie gekommen. In Großbritannien und Frankreich sind umgekehrt die Sklavenhalter bezahlt worden, weil der Staat sie ja quasi enteignet hat. Fünf Prozent der Wirtschaftsleistung machte 1833 die staatliche Entschädigung von 4000 Magnaten aus, bis heute Grundlage zahlreicher britischer Vermögen. In den französischen Kolonien verlief die Sache ähnlich.

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