EU: Turbulente Jahre mit Juncker

Gedenken an 100. Jahrestag

In den Schützengräben vor Ypern im Westen Flanderns sind im Ersten Weltkrieg Hunderttausende im Stellungskrieg umgekommen, Soldaten aus Großbritannien und dem britischen Empire, aus Belgien, aus Frankreich und Deutschland. Die deutsche Heeresleitung hat hier zum ersten Mal Giftgas eingesetzt. Noch heute findet man in jedem zweiten Garten einen Soldatenfriedhof.
Zum hundertsten Jahrestag des Attentats von Sarajewo werden die Staats- und Regierungschefs an diesem symbolischen Ort  Belgiens an den Horror der europäischen Kriege der Vergangenheit erinnern. Dass die Todfeinde von damals inzwischen am Verhandlungstisch der Europäischen Union einander gegenüber sitzen, soll durch die geplante Gedenkveranstaltung ganz besonders hervorgehoben werden.

Kein leichter Stand für neue Kommission

An Meinungsverschiedenheiten herrscht zur Zeit allerdings kein Mangel in der EU. Erstmals wird mit dem Luxemburger Jean Claude Juncker ein Kommissionspräsident nominiert werden, hinter dem nicht alle EU-Staaten stehen. Großbritanniens Premierminister David Cameron lehnt den Christdemokraten nach wie vor dezidiert ab. Alle Bemühungen, einen Kompromiss zu finden, etwa durch stärkere Berücksichtigung der britischen Reformideen, sind gescheitert. Die erforderliche qualifizierte Mehrheit ist Juncker aber für seine Nominierung so gut wie sicher.
Doch die nächste Kommission wird es nicht leicht haben, wirklich von allen Mitgliedsstaaten akzeptiert zu werden. Dass sich eine Mehrheit gegen eine Minderheit durchsetzt, kann man allerdings auch als Fortschritt der europäischen Demokratie ansehen. Schließlich werden auch nationale Regierungschefs nicht anders gewählt. Juncker muss dann noch eine Mehrheit im Europäischen Parlament finden.

Assoziierungsabkommen als Zeichen an Moskau

Die Regierungschefs wollen ihm einen Arbeitsplan für die nächsten fünf Jahre mit auf den Weg geben, der die Impulse der Europawahlen aufnimmt. Darunter sind britische Reformvorschläge, bei denen es um schärferes Vorgehen gegen Sozialmissbrauch geht und weniger Bürokratie. Genauso wie die Ideen der Südstaaten von größerer Flexibilität bei den Staatsfinanzen, um Wirtschaftswachstum leichter möglich zu machen.
Das angespannte Verhältnis zur Russland wird bei diesem Gipfel ebenfalls zur Diskussion stehen. Zusätzliche Sanktionen sind unwahrscheinlich. Nach wie vor überwiegt bei den Europäern die Hoffnung, dass Wladimir Putin auch in der Praxis auf den Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Poroschenko einschwenkt. Sollte Russland jedoch weiter schwere Waffen und Söldner über die Grenze an die Rebellen in der Ukraine schicken, und dadurch den Friedensplan Poroschenkos unterminieren, könnte neue Sanktionen allerdings durchaus wieder aktuell werden.
Aus der Ukraine wird Präsident Poroschenko persönlich nach Brüssel kommen, um den noch offenen Teil des Assozierungsabkommens der Ukraine mit der EU zu unterzeichnen. Auch die Vertreter Georgiens und Moldawiens werden solche Verträge formell unterzeichnen. Die Europäer signalisieren, dass sie ein Veto Moskaus gegen die Anbindung ehemaliger Sowjetrepubliken an die EU nicht akzeptieren wollen.

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