Was hat Cameron gegen Juncker?
Cameron ist gegen den ganzen Vorgang der von den europäischen Spitzenkandidaten zum Kommissionspräsidenten führt, weil das stärkeren Kommissionspräsidenten gäbe. Der ist dann nicht mehr nur ein Geschöpft der Regierungschefs, er kann sich auf darauf berufen, dass ihn die Bürger gewählt haben, wenn er einmal Nein sagt zu einem Nationalstaat. Das passt natürlich einem Regierungschef gar nicht, der weniger Europa und mehr Nationalstaaten will.
Die britischen Tories haben ja auch keinen europäischen Spitzenkandidaten aufgestellt. Was zu der kuriosen Situation führt, dass kein Brite für Juncker stimmen konnte, weil es keine europaweiten Listen gibt und keine britische Partei in der Europäischen Volkspartei vertreten ist. Das wäre nur anders, wenn es bei Europawahlen eine zweite Stimme gäbe, für eine europäische Liste, die in allen Ländern gleich ist und auf der alle Spitzenkandidaten stehen würden.
Dann kommt natürlich dazu, dass Juncker ein traditioneller Befürworter einer stärkeren europäischen Integration ist, was Cameron ebenfalls zuwiderläuft, der will ja eher den europäischen Zusammenhang lockern.
Vorstellbar gegen ihn, oder hat GB Vetorecht?
Formal gibt es kein Vetorecht. Seit dem Vertrag von Lissabon reicht die qualifizierte Mehrheit im Rat für die Nominierung zum Kommissionspräsident.
Aber realpolitisch ist das anders. Einen Kommissionspräsidenten gegen ein so wichtiges Mitgliedsland wie GB zu installieren, das ist sehr schwer vorstellbar. Das würde in GB zweifelsohne als ein Schritt in Richtung Hinauswurf interpretiert werden.
Es ist auch GB nicht alleine. Ungarn, auch NL und Schweden sind nicht begeistert, dass ein Kommissionspräsident durch Wahlen legitimiert werden soll.
Was ich für wahrscheinlicher halte, das sind Versuche GB ins Boot zu holen. Etwa durch ein Angebot über neue Sonderregeln, die Cameron wichtig sind. Wenn Briten Sonderregeln bekommen, werden das andere wahrscheinlich auch wollen. Oder wenn im Paket über Personen verhandelt wird, kann man Cameron bei anderen Positionen entgegenkommen. Beim nächsten Ratspräsidenten oder dem bzw. der nächsten EU-Außenministerin.
Das erklärt, warum es eine Überraschung wäre, wenn sich das Europaparlament mit seiner Forderung nach einer raschen Entscheidung für Juncker durchsetzt.
Der Fahrplan jetzt ist, dass die Wahl durch das Plenum des Parlaments Mitte Juli passieren soll. Erst wenn man sich dann noch nicht geeinigt hat, wird es kritisch und erst danach würde wahrscheinlich darüber nachgedacht werden, ob nicht auch andere Kandidaten in Betracht gezogen werden müssen.