Geert Wilders hat viel vor. Im August traf der niederländische Islamhasser in Wien Heinz-Christian Strache. Danach fuhr er zu Marine Le Pen nach Paris. Bei den Europawahlen Ende Mai 2014 wollen die rechtspopulistischen EU-Gegner gemeinsame Sache machen. Wilders Partei der Freiheit PVV verlangt den Austritt der Niederlande aus der Europäischen Union. Bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr hat der radikale Anti-EU-Kurs dem erfolgsgewohnten Wilders eine herbe Niederlange beschert. Inzwischen sehen ihn Meinungsumfragen wieder auf Platz eins, eine Reaktion auf den Sparkurs der liberal-sozialdemokratischen Regierung in Den Haag.
Ähnlich ambitiös ist Marin Le Pen: ihre Rechtsaußenpartei will sie 2014 gegen den müde wirkenden Sozialisten Hollande und die zerstrittene bürgerliche Opposition zur ersten Partei Frankreichs machen. Die Nationale Front verlangt die Rückkehr zum französischen Franc. Die Alternative für Deutschland setzt mit ihrem Achtungserfolg bei den Bundestagswahlen zum Sprung nach Straßburg an. Auch die britische Unabhängigkeitspartei UKIP, die ungarische Nationalisten von Jobbik und die griechischen Neonazis der Goldenen Morgenröte streben einen Durchbruch bei den Europawahlen an.
Zu einer europäischen Internationale der Nationalisten wird es nicht kommen. Aber acht Monate vor dem europäischen Urnengang ist klar: in einem Klima der wachsenden Europaverdrossenheit steht eine Offensive der Rechtspopulisten gegen die EU bevor.
In der nächsten Legislaturperiode wollen die EU-Gegner ein Viertel oder mehr der 751 Europaabgeordneten stellen. Der Charakter des sachlichen Parlamentarismus in Straßburg würde dramatisch verändert. Landen rechtspopulistische Listen tatsächlich vorne, könnten die jeweiligen Regierungen einen EU-skeptischen Schwenk vollziehen. Europa wäre wieder einmal blockiert.
Europawahlen bestanden in der Vergangenheit aus nationalen Wahlgängen, die nur lose miteinander verbunden waren. Die Wahlbeteiligung sank. Es fehlte die Motivation der Wähler mit ihrer Stimme über einen Regierungschef zu entscheiden.
Nach dem Willen der großen Parteienfamilien soll das diesmal anders werden. Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grüne wollen als europaweite Spitzenkandidaten ihre Bewerber für die Position des Kommissionspräsidenten aufstellen. Wer die Europawahlen gewinnt, bekommt den Job.
Die Idee ist bestechend. Die Kommission ist die Regierung der EU. Ein EU-Regierungschef, der aus allgemeinen Wahlen hervorgeht, würde das Demokratiedefizit der EU beheben. Der Wahlkampf wäre grenzüberschreitend auf einige wenige Personen und deren Programmen zugespitzt. Aber ob es tatsächlich zu einem paneuropäischen Europawahlkampf starker Politiker kommen wird ist unklar.
Einen geeigneten Kandidaten haben bisher nur die Sozialdemokraten in der Person von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Schulz ist im deutschen Sprachraum bekannt. Ob er auch in Frankreich, Italien oder Polen akzeptiert wird, muss sich noch zeigen. Die britische Labour Party hat bereits signalisiert, dass sich ein deutscher Sozialdemokrat von einem britischen Wahlkampf am besten fernhält.
Bei den Christdemokraten werden der Pole Donald Tusk oder der Ire Enda Kenny für die Position des Kommissionspräsidenten gehandelt. Tusk wäre als Vertreter Osteuropas eine interessant Option, Kenny als Regierungschef eines Staates, der die Finanzkrise überlebt hat.
Aber das Szenario Schulz gegen Tusk oder Schulz gegen Kenny wird es wahrscheinlich nicht geben. Amtierende Premierminister wollen sich in keinen Europawahlkampf stürzen, den sie auch verlieren können. In der Europäischen Volkspartei wird jetzt überlegt, Zählkandidaten aufzustellen, die nach geschlagener Wahl zugunsten eines konservativen Regierungschefs auf einen weniger wichtigen Posten verschoben werden. Die EU-Kommissare Viviane Reding aus Luxemburg und Michel Barnier aus Frankreich sind interessiert. Beides ehrenwerte Persönlichkeiten, deren Namen aber nur Experten bekannt sind.
In der Auseinandersetzung mit Wilders, Le Pen und Strache brächte ein Wahlkampf um den Regierungschef der EU den proeuropäischen Parteien wichtige Argumente. Im Zentrum der Debatte stünden nicht nationalistische Ressentiments sondern die Pläne der nächsten Kommission. Europawahlen mit Spitzenkandidaten, die kaum jemand kennt, wären dagegen ein Geschenk an die Anti-EU-Fundis.
Die Koppelung von Kommissionspräsident und Europawahl lässt sich übrigens auch auf die nationale Ebene übertragen. In Luxemburg wählen die Bürger ihren EU-Kommissar direkt. Jede Partei stellt ihren Kandidaten an die Spitze der Liste für die Europawahl. Die Partei, die die Wahlen gewinnt, bekommt den Kommissar. Das System erspart den Regierungsparteien schwierige Deals hinter den Kulissen und stärkt die Position der luxemburgischen Kommissarin.