Die Angst an den US-Unis, Falter Maily, 1.6.2025

Wer sehen will, wie sich eine große Gesellschaft selbst schadet, blicke in die USA. Die Zerstörung von Umweltschutz und anderen Regeln kann man für ein Regime der Milliardäre wie unter Trump noch irgendwie als logisch ansehen. Die Fans eines ungehemmten Kapitalismus wollen möglichst wenig staatliche Regeln.

Beim Krieg, den die US-Regierung gegen die eigenen Universitäten führt, keineswegs nur Elitehochschulen, ist das anders. Der Feldzug der Administration richtet sich jetzt auch gegen ausländische Studierende. Die großen Verlierer sind die USA selbst.

Die klügsten und besten jungen Leute aus der ganzen Welt zieht es nach Harvard, Princeton oder andere US-Unis, wundert sich der deutsche Ökonom Peter Bofinger bei einem Besuch im Bruno Kreisky Forum. Sie werden von der Regierung jetzt brüsk abgewiesen. Die Kosten für die Grundausbildung hatten andere Staaten getragen. Viele Studierende bleiben nach ihrem Abschluss traditionell in den USA. Es sind die Innovatoren der Zukunft, eigentlich ein Geschenk für Amerika, das man offenbar nicht mehr haben will.

Das Verbot für die Universität Harvard, Ausländer zum Studium aufzunehmen, hat ein Gericht vorerst außer Kraft gesetzt. Aber der Kampf der Regierung geht weiter. Für die Studierenden aus der ganzen Welt gab es in den USA bisher eigene Visa. Um ein Visum zu bekommen, braucht man einen Termin in einem amerikanischen Konsulat. Außenminister Marco Rubio verfügt, dass keine neuen Termine vergeben werden.

Die Begründung: Das State Department möchte die Aktivitäten von Bewerbern in Sozialen Netzwerken überprüfen, weiß aber noch nicht, wie das funktionieren soll. Auf Internetzensur für die Einreise war man bisher vielleicht in Nordkorea eingestellt, unter Trump gehen auch die USA den Weg von Zensur und Kontrolle.

Ausländische Studierende, die an Solidaritätsdemonstrationen für Gaza teilgenommen haben, bekamen Besuch von der Einwanderungspolizei. Visa wurden annulliert und es gab Festnahmen. Was genau für junge Leute, die eine amerikanische Unis besuchen wollen, im Internet zukünftig verboten sein soll, weiß niemand. Donald Trump sagt, wir wollen nur Leute, die unser Land lieben. Die Botschaft ist klar: Kritische Geister sollen zu Hause bleiben.

Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak hat den April am State College Pennsylvania verbracht. Dem Wiener Kongress, einer Veranstaltung der Wiener Festwochen, berichtet sie, wie sie die Angst erlebt hat, die amerikanische Hochschulen im Griff haben. Die Atmosphäre ist mit diktatorischen Regimes vergleichbar. 2000 Studis sind ausgewiesen worden.

Am schlimmsten ist die Situation für Studierende aus China. Außenminister Marco Rubio hat angekündigt, dass Visa für chinesische Staatsbürger ungültig gemacht werden. Angeblich für sensible Studienrichtungen und bei Verbindungen zur Kommunistischen Partei. Genaueres ist nicht bekannt. Die Verunsicherung bei zehntausenden jungen Leuten, deren Familien jahrelang das Geld für das superteure Studium in den USA gespart haben, ist total. Die Volksrepublik China, der Überwachungsstaat par excellence, profitiert. Die chinesischen Eliteuniversitäten in Peking und Hongkong stellen Sonderprogramme für USA-Heimkehrer zusammen.

Der Respekt für die Freiheit, mit der Amerika wirbt, ist vorbei. Trumps Feldzug gegen Ausländer und Unis, die als liberal gelten, mag dumpfe Instinkte seiner Wählerbasis bedienen. Aber Amerika selbst ist der Verlierer. Und die Universitäten ebenfalls, weil zahlende Ausländer einen wichtigen Teil ihres Budgets ausmachen.

EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen legt nun auch ein Programm auf, um Wissenschaftler aus den USA an europäische Universitäten zu holen. Auch Österreichs Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner wird Stipendienangebote machen.

Ob Europa wirklich profitieren kann, wenn die USA die Freiheit der Wissenschaft einschränken, bleibt abzuwarten. Die Erfahrung, dass sich amerikanische Trends im Guten wie im Schlechten auf dem alten Kontinent fortsetzen, muss wachsam machen. Aber Trump ist in unseren Breitengraden so unpopulär, dass sich sogar die Rechtsextremen, obschon Brüder im Geiste, nicht so gerne auf ihn berufen.

Ob die Europäer es schaffen, der Versuchung zu widerstehen, dem aktuellen Wahnsinn jenseits des Atlantiks nach zu hecheln?