Der Niedergang der Rechtspopulisten, 21.6.2017

Der Triumph Emmanuel Macrons beendet für Frankreich eine Phase der Immobilität, die zu Wut und Frustration in einem der wichtigsten Länder der Europäischen Union geführt hat. Dank einer überwältigenden parlamentarischen Mehrheit verfügt der Präsident über die Instrumente, um den versprochenen proeuropäischen Reformkurs umzusetzen. Die Wahlen zur Nationalversammlung wurden zu einem Debakel für den Front national. Nach dem Scheitern Marine Le Pens bei den Präsidentschaftswahlen ist die rechtsextreme Partei in eine tiefe Krise geschlittert. Gegenüber dem ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen verlor sie vier Millionen Wähler. Die Kandidaten Le Pens kamen auf gerade 13,3 Prozent. Um vieles weniger als die 17,8 Prozent von Parteigründer Jean-Marie Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 2002. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts konnte die Partei gerade acht von 577 Sitzen erobern. 35 Jahre lang haben die nationalistischen Parolen der Rechtsextremen die französische Politik beeinflusst. Le Pen rechnete sich Chancen auf das höchste Amt im Staat aus. Die Situation sieht jetzt völlig anders aus. Der Grund für die Niederlage waren die aggressiven Pläne Le Pens zur Abschaffung des Euro. Eine Abkehr von der europäischen Vereinigung lehnten die Wähler ab. Die interne Auseinandersetzung darüber, ob der FN bei seiner Anti-EU-Haltung bleiben soll, könnte zur Spaltung führen. In ganz Europa geht es Rechtsaußenbewegungen schlecht. Bereits gespalten hat sich die finnische Antiausländerpartei, die Teil einer Regierungskoalition mit den Liberalen ist. In den Meinungsumfragen waren die Wahren Finnen von 18 Prozent vor zwei Jahren auf neun Prozent abgestürzt. Die Partei hat darauf den Extremisten Halla-Aho zum neuen Vorsitzenden gewählt. Der Mann ist wegen rassistischer Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt. Halla-Aho strebt nach dem Beispiel des britischen Brexits eine Volksabstimmung über einen Fixit an. 22 der 37 Rechtsaußenabgeordneten, darunter Parteigründer und Außenminister Timo Soini, wollten in der Regierung bleiben, wie einst die Haider-Getreuen unter Schwarz-Blau in Österreich, und gründeten eine neue Partei. Zeitgleich hagelte es bei den Kommunalwahlen in Italien Niederlagen für die antieuropäische Fünf-Sterne-Bewegung. Die Partei Beppe Grillos gilt bei Parlamentswahlen als Anwärterin für den ersten Platz, hat aber in zahlreichen Großstädten, darunter Genua, Palermo, Verona und Padua, nicht einmal den Sprung in die Stichwahl geschafft. Grillos grelle Opposition gegen alles und jedes, ohne einen Schimmer von Lösungsvorschlägen, verliert ihre Anziehungskraft. Auf einen wachsenden Berg von Schwierigkeiten reagiert die Bürgermeisterin von Rom, die prominente Fünf-Sterne-Politikerin Virginia Raggi, mit einem verschärften Antiausländerkurs. Parlaments-Vizepräsident Luigi di Maio stellt die Mitgliedschaft Italiens in der EU infrage, wenn die Union in der Flüchtlingspolitik nicht vorankommt. Grillos Partei erlebt Zerreißproben, ähnlich wie der Front national in Frankreich. Die Krisenerscheinungen im Rechtsaußenlager sind nicht auf Regierungsparteien beschränkt. Noch vor vier Jahren hat die britische UKIP den Tories derart zugesetzt, dass der damalige Premierminister David Cameron das Brexit-Referendum versprach. Inzwischen droht die Partei im internen Chaos unterzugehen. Bei den letzten Unterhauswahlen war kein einziger UKIP-Kandidat erfolgreich. Der geplante EU-Austritt gefährdet die Regierungsfähigkeit der Konservativen und beschädigt die wirtschaftliche Stellung Großbritanniens. Rechtsaußen wird auch in Zukunft Teil des Parteienspektrums bleiben. Die Auseinandersetzung über Abschottung oder Öffnung unserer Gesellschaften ist nicht entschieden. Aber Le Pen, Wilders und Co haben mit ihren Plänen zur Zerschlagung der EU den Bogen überspannt. Zurückrudern ist schwierig, das merkt auch die FPÖ. Die gemeinsame Währung und eine europäische Außenpolitik gehören zu den Zielen, die auch Protestwähler unterstützen. An ihrem Nationalismus scheitern die rechtsradikalen Parteien. Erstaunlich ist, wie gering trotz dieser Dynamik in Österreich der Stellenwert Europas in der Wahlauseinandersetzung ist. Unter den sieben Kriterien der SPÖ für eine Koalitionsfindung kommt die EU nicht vor. ÖVP-Chef Kurz liebt Sticheleien gegen Brüssel. Dabei waren die Bundespräsidentenwahlen das erste Beispiel, dass trotz Proteststimmung eine ausdrücklich proeuropäische Position erfolgreich sein kann.

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