Der Dijsselbloem-Schock

 Zu Unruhe an den Märkten führt die Aussage des Eurogruppenvorsitzenden Jeroen Dijsselbloem aus den Niederlanden, der gemeint hat, das so ähnlich wie in Zypern auch mit anderen maroden Banken verfahren würde. Sowohl  die Börsen als auch der Euro haben sich nach unten bewegt. Der Eurogruppenvorsitzende hat seine umstrittene Aussage inzwischen korrigiert, aber die Zweifel an seiner Führungskompetenz nehmen zu.

   Vor zehn Tagen war für  Jeroen Dijsselbloem, den jungen Vorsitzenden der Eurofinanzminister aus den Niederlanden,  die Welt noch heil. In der nächtlichen Krisensitzung des 15. März   hatten die Minister einen Zypernrettungsplan beschlossen. Einstimmig, und nach extrem schwierigen Verhandlungen. Doch schon am Wochenende brach der Sturm los, wegen einer geplanten Sonderabgabe für alle zypriotischen Sparer.

  Einem Jean Claude Juncker, dem erfahrenen Luxemburger, wäre ein solch kapitaler Fehler nie passiert, schüttelt ein hochrangiges Regierungsmitglied den Kopf.   Dem neuen niederländischen Vorsitzenden fehle  offensichtlich jedes politische Sensorium.

  Dass dann auch noch das zypriotische Parlement nein sagte, war das Ende des ersten Zypernplanes. 

  Doch direkte politische Verantwortung übernahm niemand im Euroraum. Zyperns Präsident beschuldigte Europa, die Ministerkollegen distanzierten sich, in Paris und Berlin, Wien und Rom.  Der Euroraum wird eben von einer Art kollektiver Führung geleitet.

   Letzten Sonntag, dem zweiten Zypernkrisenwochenende,  wurde dem Eurogruppenvorsitzenden  durch Ratspräsident Herman van Rompuy  das Heft aus der Hand genommen. Der entscheidende politische Deal wurde  geschlossen, während die Finanzminister im Wartesaal saßen.

  Doch kaum war die nächtliche Abschlusspressekonferenz vorbei,  löste Jeroen Dijsselbloem einen neuerlichen Sturm aus.  Gegenüber Reportern der Financial Times meinte der niederlandische Sozialdemokrat, dass so ähnlich wie in Zypern wohl auch in anderen Ländern die Sanierung von maroden Banken ablaufen wird.  Nicht mehr die Steuerzahler wie bisher, sondern vermögende Investoren und Kunden würden im Notfall  bezahlen.

  Ein politischer Kommentar, der  logisch klingt und nach Meinung vieler auch sinnvoll ist. Nur leider hatten die Minister noch Stunden zuvor hoch und heilig geschworen, dass Zypern ein singulärer Einzelfall ist.

  Gestern Nachmittag knickten daraufhin die Börsen ein, die Anleihezinsen der europäischen Südstaaten schnellten in die Höhe.  Vom Dijsselbloem Schock war die Rede.

  In einem knappen zweizeiligen Kommunique des Eurogruppenvorsitzenden folgte Stunden die Kertwende. Zypern sei ein Sonderfall und kein Modell für andere.

  Die Journalisten hätten ihn falsch zitiert, sagt Disjsselbloem,  das englische Wort für Modell oder Blaupause, template, sei ihm gar nicht bekannt gewesen.

  Doch die Wogen wollen sich nicht glätten. Das französische Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, Benoit Coeure, geht den  Eurogruppenvorsitzenden heute frontal an: seine Aussage sei falsch, kein anderes Land sei so bankrott wie Zypern.

  Recht haben mit ziemlicher Sicherheit beide.  Die Steueroase Zypern hat tatsächlich ihre ganz eigenen Probleme. Aber dass es ein Wendepunkt für den Euroraum darstellt, wenn vermögende Anleger und nicht mehr nur Steuerzahler das Risiko der  Banken tragen,  ist unbestreitbar.

  Jeroen Dijsselbloem ist trotzdem  angeschlagen. Der niederländische Sozialdemokrat erlebt wie andere Minister vor ihm, dass in der EU-Liga andere Regeln gelten als im Nationalstaat. Was der Eurogruppenvorsitzende sagt, bewegt die Finanzmärkte auf der ganzen Welt. In Italien rechnet man schon nach, wie viele Millionen die unbedachten Äußerungen die Steuerzahler kosten, weil die Anleihezinsen in die Höhe gingen. Die spanischen Zeitungen schreiben von Fiasko und Desaster, während deutsche Medien dem Niederländer Ehrlichkeit und Realismus attestieren.

  Neben dem chaotischen Entscheidungsprozess erweist sich die Kommunikation als die große Schwachstelle des Euroraums. In den USA, mit ähnlich vielen Bürgern wie im Euroraum, steuert eine hochprofessionelle und ziemlich groß Medienabteilung die Öffentlichkeitsarbeit des  Finanzministers. Man weiß, jeder falsche Zungenschlag bewegt Milliarden. Jeroen Dijselbloem,  in Den Haag erst seit letztem Herbst Finanzminister und als Eurogruppenvorsitzender sowieso neu im Amt, wird von seiner Pressesprecherin betreut, die sich in den Niederlanden sicher ganz gut auskennt.  Die Kommunikation mit den  nervösen  17 Öffentlichkeiten der Eurozone und  den globalen Finanzmärkten muss der Chef selbst übernehmen. Dabei ist er sichtlich überfordert.