Das Jahr der Demagogen geht zu Ende

Im Kampf um die Demokratie geht das Jahr 2018 an den Trumpismus. Autoritäre Demagogen, die dem amerikanischen Präsidenten mit Lügen und nationalistischer Hetze nacheifern, sind weiter in der Offensive.
Der größte Erfolg für die Kräfte der Dunkelheit war der Sieg eines rechtsextremen Außenseiters bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien. Korruption, Kriminalität und eine tiefe Wirtschaftskrise haben im größten Land Lateinamerikas einen giftigen Mix von Wut und Hass entstehen lassen, der der demokratischen Linken zum Verhängnis wurde. Ex-Präsident und Arbeiterführer Ignacio Lula da Silva, der die Aufstiegshoffnung der vergangenen Epoche symbolisierte, befindet sich im Gefängnis. Jair Bolsonaro, ein Apologet der einstigen Militärdiktatur, zieht in den Präsidentenpalast in Brasilia ein. Die Zäsur könnte gravierender nicht sein.
So wie Donald Trump leugnet der neue brasilianische Präsident den Klimawandel. Im Amazonas will er Bergbau und Rodungen beschleunigen. Das größte Regenwaldgebiet der Erde wird schrumpfen. Bolsonaro würde am liebsten aus dem Pariser Klimaabkommen austreten, so wie die USA unter Trump. Die Konsequenzen des Umschwungs wird der gesamte Planet zu spüren bekommen.
Die liberalen Demokratien befinden sich in der Defensive, aber sie sind nicht k.o.
Das amerikanische System der Gewaltenteilung funktioniert. Der Erfolg der Demokraten bei den Kongresswahlen verändert die politische Dynamik in den USA. Mit Nancy Pelosi als Parlamentspräsidentin bekommt Trump eine beinharte Gegenspielerin. Hearings, bei denen Regierungsvertreter unter Eid aussagen müssen, werden dem Weißen Haus zusetzen. Die Russland-Untersuchungen von Sonderstaatsanwalt Mueller gehen in die Zielgerade. 2019 werden die Weichen gestellt, die entscheiden, ob Trump Chancen auf eine zweite Amtszeit hat.
Der britische Economist zählt auf, dass 2019 für ein Drittel der Weltbevölkerung freie Wahlen bevorstehen. In Indien, Indonesien, Nigeria und in der Europäischen Union werden die Bürger zu den Urnen gehen. Diese Wahlen finden unter Bedingungen des politischen Pluralismus statt. Die Demokratie ist resilient. Indiens nationalistischer Premier Narenda Modi kann sich seiner Wiederwahl nicht sicher sein. Indonesiens extreme Islamisten werden sich gegen den linksliberalen Präsidenten Widodo schwer tun.
Weltweit erleben wir eine breite Repolitisierung, die sich in hoher Wahlbeteiligung und Engagement in Organisationen der Zivilgesellschaft ausdrückt. Das Bewusstsein, dass Freiheiten verteidigt werden müssen, wächst.
Mit der Revolte der Gelbwesten in Frankreich hat sich die Krise des europäischen Establishments auf die Straße verlegt. Parteien waren bei den wochenlangen Demonstrationen und Blockaden keine zugelassen. Die französische Bewegung hat sich spontan über die sozialen Netzwerke organisiert, so ähnlich wie die Volksaufstände im arabischen Frühling. Rechte Extremisten waren genauso unter den Demonstranten wie linke Autonome. Aber die Gelbwesten sind weder ausländerfeindlich noch antieuropäisch, anders als die rechten Politrebellen in den nationalen Parlamenten. Die Forderung nach Gerechtigkeit ist ihre stärkste Triebkraft. Präsident Emmanuel Macron gab klugerweise nach.
Wie stark das politische Pendel ausschlägt, werden die Europawahlen Ende Mai 2019 zeigen. Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne müssen Verluste befürchten. Aber angesichts des Chaos um Brexit wächst die Zustimmung zur Europäischen Union. Nicht nur die Demokratie, auch die EU erweist sich als resilient im Bewusstsein der Menschen. Ob Matteo Salvini, Marine Le Pen und Heinz Christian Strache tatsächlich eine gemeinsame Liste der Rechtsextremen entwickeln werden, ist offen. Bisherige Versuche, eine Internationale der Nationalisten zu errichten, sind kläglich gescheitert.
Schritt für Schritt zerstört der Trumpismus die Institutionen für Zusammenarbeit in der Welt. Die USA sind aus dem Iranabkommen und dem Klimaschutzabkommen ausgetreten, sie unterminieren die UNO, die EU und die NATO. Den INF-Vertrag gegen nukleare Mittelstreckenraketen werden sie aufkündigen. Sogar die Universal Postal Union, den UNO-Postverein, wollen sie verlassen. Der Multilateralismus ist bei Trump&Co ein Schimpfwort geworden.
Aber die Menschheit hat nur einen Planeten. Internationale Solidarität ist unersetzbar, egal ob beim Klima oder im Umgang mit Flüchtlingen. Daher ist es verhängnisvoll, dass Österreich 2018 beim UNO-Migrationspakt zum Vorreiter gegen den Multilateralismus wurde. Der Druck kam von rechtsextremen Agitatoren. Dass Rechtsextreme in Wien die Außenpolitik mitbestimmen, ist beschämend.
Der Multilateralismus als Idee globaler Menschheitspolitik wird 2019 gemeinsam mit den Freiheiten der liberalen Demokratie zu verteidigen sein.

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