China, der Terror gegen die Uiguren und der Westen

  Der Volkskongress ist das Gesicht der chinesischen Politik nach außen. In der 21 Millionenmetropole Peking herrscht  Ausnahmezustand. Auf den Videoscreens der U-Bahnen läuft in der Endlosschliefe der Jahresbericht des Premierministers. Die Passagiere blicken zwar lieber auf die neuesten Klatschgeschichten am Handy. Aber der Staat macht klar, dass etwas wichtiges inszeniert wird. Die oberste Führung Chinas feiert den Sieg über Covid-19, während anderswo die Pandemie unverändert wütet.

  Die Wirtschaft wächst wieder. Die Hochgeschwindigkeitszüge fahren. Die Flughäfen sind in Betrieb. China hat die extreme Armut  staatlich abgeschafft, triumphieren die Medien. Unter den Deputierten des  Volkskongress gibt es zwar mehr Millionäre als in irgendeinem anderen Parlament der Welt. Aufwärts gegangen ist es trotzdem auch für die Ärmsten.

 Möglich wurde der Erfolg durch die Kombination von Staat, Zensur und Markt. Covid 19 hat die behördlichen Kontrollen massiv ausgeweitet. Unzählige Apps verfolgen alle Schritte der Bürger. Das Chaos in den USA gilt dagegen als Beweis für den Niedergang des Westens. Staatschef Xi Jinping präsentiert China als Erfolgsmodell für die Welt.

  Das überbordende Selbstbewusstsein der Führung in Peking kollidiert mit schlechten Nachrichten aus der Weltpolitik.  Die USA setzen unter Biden auf Allianzen gegen den chinesischen Expansionsdrang. Osteuropäische Staaten, die Freundschaftsbande zum Reich der Mitte geknüpft hatten, sind desillusioniert.  Der chinesische Flirt Tschechiens  endete, weil sich der Prager Bürgermeister Kontakte nach Taiwan nicht verbieten lassen will. Der wichtigste Investor aus China entpuppte sich als  Betrüger.

 Großbritannien hat den chinesischen Auslandssender CGTN aus dem Kabelnetz entfernt, weil nicht die Journalisten sondern die Regierung entscheidet, was gesendet wird.  Demokratische Aktivisten aus Hongkong gelten als Kriminelle. Umfragen des  amerikanischen Pew Research Centers ergeben, dass China den Menschen in vielen Ländern immer unsympathischer wird.  Angesichts der unbestreitbaren Erfolge gegen die Pandemie ein  für Chinas Führung alarmierender Imageverlust.

   Die wachsende Kritik an  China hängt mit der Repression gegen die islamische Minderheit der Uiguren zusammen. Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass in der westlichen Region Xinjiang bis zu einer Million Menschen längere Zeit in Lagern festgehalten wurden. Ehemalige Häftlinge beschreiben Demütigungen, Folter und  Gehirnwäsche. China widerspricht wütend. Aus Sicht Pekings geht es um Antiterrorpolitik gegen islamistische Extremisten und um Umschulungen für den Arbeitsmarkt. Das Parlament der Niederlande spricht dagegen von Völkermord. Auch Joe Bidens Weißes Haus gebraucht die Bezeichnung Genozid. Das böse Wort von Xinjiang als dem Archipel Gulag unserer Zeit macht die Runde.

 Der Vergleich mit dem stalinistischen Terror ist unangebracht.  In den sowjetischen Gefangenenlagern sind Millionen umgekommen. Die Zerstörung von Moscheen und islamischen Kulturstätten durch die chinesischen Behörden ist dagegen mehrfach dokumentiert. Laut Völkerrecht bedeutet Genozid, dass eine nationale, ethnische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise ausgelöscht wird. Dreißig Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges rücken die Menschenrechte wieder ins Zentrum der Weltpolitik.

  Die Kontroverse um die Uigurenpolitik wirft ihre Schatten auf die Olympischen Winterspiele in Peking 2022. Sogar von einem Boykott der Megaveranstaltung ist manchmal die Rede. Es wäre ein schwerer Affront gegen die aufstrebende Weltmacht. Zuletzt hatten die USA nach der sowjetischen Intervention in Afghanistan 1980 die Olympischen Spiele in Moskau boykottiert.  Die meisten Staaten sind der Blockade nicht gefolgt. Sportliche Großveranstaltungen globaler Natur sind nur möglich, wenn man die Vielfalt der Welt akzeptiert, inklusive ihrer dunklen Seiten.  

   Politische Botschaften für Menschenrechte finden  auch gegen den Willen der Veranstalter ihren Weg. Bei den Spielen 1968 hatten zwei Athleten zum Entsetzen der Verantwortlichen auf der Siegertribüne in Mexico City mit dem Black Power Gruß demonstriert. Die Peking Rundschau war damals begeistert.

  Gegen die Repression in Xinjiang und die Einschränkung der Freiheiten in Hongkong zu protestieren ist wichtig.  Trotzdem sollte es nicht weniger, sondern mehr Kontakte ins Reich der Mitte geben.  Im Umgang mit China als aufstrebender und wirtschaftlich erfolgreicher Diktatur ist Kreativität gefragt.  

ZUSATZINFOS

In der autonomem Region Xinjiang im Nordwesten Chinas leben Angehörige des Turkvolkes der Uiguren und anderer islamischer Minderheiten. Han-Chinesen sind inzwischen die Mehrheit der 22 Millionen Einwohner. Die Behörden gehen drakonisch gegen Muslime vor, die des Terrorismus verdächtigt werden. Xinjiang wirkt wie ein besetztes Land.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*