In Chinas sozialen Medien verbreitet sich wie ein Lauffeuer seit Anfang des Monats der autobiografische Aufsatz einer Wanderarbeiterin. Die Autorin , Fan Yusu, beschreibt ihren Lebensweg vom aufgeweckten Mädchen am Dorf bis zur Haushälterin in Peking. Der Text wurde innerhalb weniger Tage mehr als eine Million Mal angeklickt und kommentiert.
Fan Yusu sagt von sich selbst, sie ist eine einfache Frau, die kaum weiß, wie man einen Computer benützt. Aber ihr Aufsatz hat Millionen berührt und die Wanderarbeiterin schlagartig berühmt gemacht. Aus ihrer Siedlung am Rande von Peking ist sie verschwunden, weil dauernd Journalisten kommen, um sie zu interviewen.
Fan Yusu, ist 44 und liebt seit jeher Bücher. Mit viel Ironie beschreibt sie das Dorfleben mit vier Geschwistern und einer Mutter, die nie aufgibt trotz vieler Rückschläge und Härten in Maos China. Zu Essen gab es immer nur Süßkartoffeln, so arm war die Familie. Meine Mutter wurde 1950 zur Frauenbeauftragten gewählt und blieb 40 Jahre an der Macht, schreibt sie, das ist länger als Saddam Hussein und Muammar Gaddafi.
Das Mädchen liest und liest. Charles Dickens, Jules Verne und die chinesischen Klassiker verschlingt sie. Die Mutter verschafft ihr einen Job als Lehrerin, da ist sie gerade 12. Mit 20 zieht es Fan Yusu in die weite Welt, nach Peking. Sie nimmt Reißaus vor der Enge des Dorfes und den Geschwistern, die große Pläne haben und immer nur scheitern.
Ich bin eine Frau, die sich am unteren Rand der Gesellschaft durchschlägt, sagt sie. Sie arbeitet inzwischen als Kindermädchen für die Nebenfrau eines Milliardärs in Peking, umgeben von den Privatlehrern für den privilegierten Sohn. Wo bin ich eigentlich, schreibt sie, in der Tang Dynastie vor vielen Jahrhunderten oder im sozialistischen China?
Die Wanderarbeiter in ihrer Siedlung können es sich nicht leisten, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Das scharfe Wohlstandsgefälle ist Alltag im modernen China.
Vom alkoholischen Ehemann hat sich Fan Yüsu getrennt. Zwei Töchter musste sie zur Mutter ins Dorf schicken. Die Mutter, immer optimistisch und realistisch zugleich, ist die Heldin ihres Berichtes. Eigentlich sollte sie in Depression verfallen, wie viele alleinstehende Frauen, schreibt sie, davor hat die Mutter sie bewahrt.
Fan Yusus Stil ist sachlich und präzis, immer gewürzt mit Ironie, ohne Selbstmitleid und Romantik. Das kommt an beim chinesischen Publikum.
Den schwierigen Weg vom Dorf in die fremde Welt der Städte sind in den letzten Jahrzehnten in China hunderte Millionen gegangen. Viele sind gestrauchelt, aber für alle hat damit ein neues Leben begonnen.
Selten sind die Erschütterungen des Alltags für junge, alleinstehende Frauen so lebensnahe beschrieben worden, wie von der Wanderarbeiterin Fan Yüsu.
Die Menschen schätzen die klaren Worte, ohne viel Schnürksel, erklärt ein Leser den überraschenden Erfolg der Autorin auf Wechat, dem chinesischen Twitter.
Fan Yüsu selbst sagt, sie ist über ihren Erfolg völlig überrascht. Eigentlich wollte sie nur etwas dazuverdienen, um ihrer Familie zu helfen. Dieses Ziel könnte sie erreichen, denn auf den literarischen Blogs in China werden Autoren nach Clicks bezahlt.