Risiko Aufrüstung unter Trump, ORF, Mittag in Österreich

Die USA stehen nach wie vor ganz im Bann der Briefbombenserie gegen CNN und demokratische Politiker. Aber Amerika schockt auch die Weltöffentlichkeit. US-Präsident Trump verärgert Russland und brüskiert die Europäer. Trump will eines der wichtigsten Abrüstungsabkommen der USA mit Russland aufkündigen. Es geht um atomare Mittelstreckenraketen. Der amerikanische Sicherheitsberater John Bolton überbrachte die schlechte Nachricht letzte Woche dem russischen Präsidenten Putin im Kreml. Die Europäer fürchten, dass ein neuer Rüstungswettlauf zwischen den USA und Russland vor allem auf ihrem Rücken ausgetragen würde.
Wie berechtigt sind die Sorgen der Europäer? Und hat Putin die europäischen Verbündeten überhaupt gefragt, bevor er angekündigt hat, dass er das Mittelstreckenabkommen kündigen will?
Nein, die Europäer waren in diese Entscheidung absolut nicht eingebunden. Das hatte auch der Methode Trump widersprochen, Freund und Feind dauernd vor den Kopf zu stoßen.
Im Fall der Mittelstreckenraketen ist das besonders gravierend. Denn bei dem Vertrag, der jetzt aufgekündigt werden soll, ist es ausschließlich um Raketen gegangen ist, die in Europa stationiert waren.
1000ende Atomwaffen wurden damals vor 30 Jahren, verschrottet, auf Betreiben von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow. Zuvor hatte es jahrelange Auseinandersetzungen gegeben, Millionen Menschen haben demonstriert gegen die neuen Mittelstreckenraketen. Weil ein Atomkrieg wahrscheinlicher geworden wäre in Europa. Jetzt ist die Sorge, dass diese Zeiten wiederkommen. Der gesamte Gedanke der Abrüstung wäre begraben, wenn dieser Mittelstreckenvertrag ersatzlos gestrichen wird.
Wie USA sagen, dass sich Russland schon lange nicht an diesen Abrüstungsvertrag hält und dass außerdem China nicht dabei ist, dass die gesamte Architektur nicht mehr zur heutigen Welt passt. Ist da nicht etwas dran?
Na klar, das war 1985 die bipolare Welt des Kalten Krieges, in der die beiden Lager, der Westen und das sowjetische Lager die Welt regiert haben.
Wenn wir jetzt in einen neuen Kalten Krieg gegen, wofür vieles spricht, dann wird das ein multipolarer Kalter Krieg. China wird als neue Supermacht mitmischen und vielleicht auch andere selbständigen Akteure im Nahen Osten. Je mehr Mächte beteiligt sind, desto schwieriger wird es dafür zu sorgen, dass ein solcher Konflikt nicht außer Kontrolle gerrät.
Ob Russland den Vertrag wirklich verletzt, wie Trump sagt? Die europäischen NATO-Partner sind auch dieser Meinung.
Nur: wenn es solche Probleme gibt, dann müsste man verhandeln. Abrüstungsverhandlungen haben früher Jahre und Jahrzehnte gedauert. Aber daran hat Trump kein Interesse, seine Devise lautet America First, der Rest interessiert ihn nicht.
Was ist an dieser Entscheidung eine impulsive Reaktion Trumps, der sich ja sicher vor den Kongresswahlen Anfang November als starker Mann präsentieren will, und was ist wirkliche eine neue außenpolitische Strategie der USA?
Es ist beides. Die innenpolitische Situation mit den Kongresswahlen ist sicher ein Faktor. Normalerweise verliert eine Regierungspartei bei diesen Midterm Elections, zwischen zwei Präsidentschaftswahlen. Gelingt es Trump das zu verhindern, wäre das ein Triumph für ihn und er könnte seinen Kurs verstärkt umsetzen.
Aber das Nein zu Abrüstungsverträgen geht tiefer. Der neue Sicherheitsberater des Präsidenten ist ein Hardliner namens John Bolton. Bolton hat Abrüstung immer schon abgelehnt. Er will forcierte Aufrüstung betreiben. Bolton glaubt, dass Amerika bei einem neuen Rüstungswettlauf gegen Russland aber auch gegen China nur gewinnen kann, weil es die stärkere Wirtschaft hat.
Das ist ein hochriskanter Kurs.
In Syrien versuchen die Großmächte ja jetzt auch Lösungen ohne die Supermacht Amerika. Am Wochenende gab es in Istanbul einen Gipfel der Europäer mit Russland und der Türkei. Welche Chancen hat diese Konstellation?
Die Chancen ohne die USA etwas zu erreichen sind begrenzt. Die Amerikaner unterstützen die Kurden, sie haben dazu auch ein paar tausend Soldaten ein, sie sind NATO-Partner für die Türkei und die Europäer. Aber interessant ist es schon, was für wechselvolle Allianzen es jetzt geben kann in dieser neuen Weltsituation. Europa, Russland und die Türkei versuchen etwas gemeinsam ohne die USA? Wer hätte das vor ein paar Monaten noch gedacht?
Bei Trump ist es ja oft so, dass sich nach martialischen Ankündigungen dann doch nicht so viel und so radikal ändert, wie angenommen. Im Handelsstreit gibt es ja zum Beispiel gütliche Lösungen mit Kanada und Mexiko. Ist ausgeschlossen, dass es auch in Abrüstungsfragen doch eine Art Happy End gibt?
Völlig unmöglich ist ein Kompromiss unter einem neuen Namen bei der nuklearen Abrüstung nicht. Trump wird ja Putin Anfang November in Paris treffen. Aber allzugroß sind die Erwartungen nicht.
Es ist wahrscheinlich, dass es jetzt einmal eine Welle der nuklearen Aufrüstung geben wird.
Für die Europäer kann ziemlich rasch die Situation eintreten, dass sie sich entscheiden müssen, ob sie mitmachen bei Trumps Aufrüstung, oder ob sie versuchen sich einem neuen Wettrüsten zu widersetzen.

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