Peking-Besuch des nordkoreanischen Führers Kim Jong un, meine Analyse im ORF

Der starke Mann Nordkoreas Kim Jong Un war diese Woche auf Staatsbesuch in Peking. Die Reise fiel auf den Geburtstag von Kim Jong Un, der, wie man jetzt weiß, 35 Jahre alt geworden ist. Bisher war sein Geburtsjahr nicht bekannt. Politisch wichtig war diese Reise, weil sich Nordkorea damit für die Verhandlungen mit den USA Rückendeckung beim großen Nachbarn holt. Peking kann zeigen, dass ohne Segen der Volksrepublik China keine dauerhafte Entspannung der koreanischen Halbinsel möglich ist.
Warum dieser Besuch Kim Jong Uns in Peking gerade jetzt kommt? Heisst dass, dass die traditionelle Allianz zwischen den Nachbarn wieder wichtiger geworden ist?
Beide Seiten haben etwas davon, wenn die Beziehungen wieder besser sind. Das war ja nicht immer so. Kim das vierte Mal in China im letzten Jahr. Vorher nicht ein einziges Mal. Das zeigt doch, dass sich etwas getan hat. 20 Stunden dauert die Zugsfahrt von Pjöngjang nach Peking. Ziemlich lange, aber nordkoreanische Führer fliegen nicht gerne.
Nordkorea sich den Rücken freihalten zum großen Nachbarn China, weil ein neues Treffen Kim Jong Uns mit Donald Trump bevorstehen könnte. Nach den großen Ankündigungen letzten Sommer in Singapur ist nicht viel passiert.
Und China will keine Überraschungen erleben vom unberechenbaren Verbündeten. Mit den Atomtests von früher war ja Peking absolut nicht einverstanden.
Man soll auch heute nicht glauben, dass Kim Jong un populär ist bei den Chinesen. Im chinesischen Internet macht man sich dauernd lustig über ihn. Da gibt es viel Spott, der nicht automatisch zensuriert wird.
Immerhin, Nordkorea testet keine Raketen mehr und keine Atombomben, was ja die Situation schon ziemlich entspannt hat. Versprochen wurde aber mehr, nämlich eine Denuklearisierung, also einen Abbau der Atomwaffen, was ist denn daraus geworden?
Nicht sehr viel, weil die USA und Nordkorea unter Denuklearisierungen unterschiedliche Dinge verstehen. Die Trump – Regierung will eine einseitige nukleare Abrüstung Nordkoreas, aber davon will man in Pjöngjang nichts wissen. Nordkorea sieht Denuklearisierung viel weiter und ist der Meinung, dass auch die USA davon betroffen sein müssten.
Daher sagen die Nordkoreaner, das ist ein langer Prozess. Wir haben Vorleistungen gebracht, nämlich das Ende unserer Atomtests. Und jetzt wollen wir auch von den Amerikanern etwas sehen. Nämlich eine Lockerung der Sanktionen. Darüber wird verhandelt, da stehen wir jetzt. Darüber wird verhandelt, und zwar in Vietnam.
Daher gibt es auch viele Vermutungen, dass ein mögliches nächstes Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim, von dem Trump immer wieder spricht, auch dort, in Vietnam stattfinden könnte.
Verhandelt wird auch zwischen den USA und China, damit der laufende Handelskrieg nicht außer Kontrolle gerät. Seit Tagen befindet sich deshalb eine amerikanische Delegation in Peking. Hat die wiederbelebte chinesisch-nordkoreanische Freundschaft auch mit dem drohenden Handelskrieg zu tun?
Die Vermutung besteht, dass auf chinesischer Seite ein großes geopolitisches Kalkül vorhanden ist, beweisen kann man das nicht.
Klar, wenn Chinas Präsident Xi Jinping demonstriert, dass er Einfluss in Nordkorea hat, dann signalisiert er das auch in Richtung USA. Donald Trump ist an einem Erfolg seiner Nordkoreapolitik sehr gelegen. Ob China mithilft oder vielleicht gar querschießt, kann Trump nicht egal sein.
Der Handelskrieg zwischen China und den USA ist ja noch lange nicht entschärft. Es gibt nur so etwas wie einen Waffenstillstand, der läuft in ein paar Wochen aus. Bis dann muss man eine dauerhafte Lösung finden, sonst gehen die Zölle rapid in die Höhe in Amerika auf chinesische Exporte. Es würde chinesische Gegenmaßnahmen geben, mit beträchtlichen Folgen für die Weltwirtschaft.
Seit dem Sommer gibt es diese Handelsauseinandersetzung ja bereits zwischen China und den USA. Lässt sich schon abschätzen, wer einen höheren Preis zahlt, oder umgekehrt, wer sich vor einer weiteren Eskalation mehr fürchten müsste?
Ich glaube es sind beide Seiten ziemlich ernüchtert. In Amerika bereiten die Börsenschwankungen zu Jahresende vielen Sorgen. Viele Amerikaner sparen in Aktien, und dass die Aktien auf Berg- und Talfahrt sind, das führen viele auf den drohenden Handelskrieg mit China zurück. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde, das ist keine Kleinigkeit.
Aber die USA sehen sich immer noch technologisch im Vorteil und sie glauben, wenn der Fluss amerikanischer Technologie nach China unterbunden würde, dass sich China damit sehr schwer tun würde.
Die chinesische Wirtschaft wächst nach wie vor, viel schneller als die Wirtschaft in Amerika oder Europa. Aber das Wachstum verlangsamt sich und das ist gefährlich für die chinesische Führung. Weil es gibt noch immer viel Armut, die Menschen haben das Gefühl. Es muss eigentlich weiter so rasch aufwärts gehen, wie bisher.
Wenn das einmal nicht mehr der Fall ist, dann könnte das auch für die Führung ein politisches Problem geben. Innerhalb der Partei gibt es daher auch gewissen Anzeichen für Kritik am Staatspräsidenten, dass er etwas zu offensiv auftritt gegenüber den USA und dadurch amerikanische Gegenreaktionen geradezu herbeiruft.
Es ist eine sehr volatile Situation zwischen den USA und China, da wird es viele Aufwärtsbewegungen und Abwärtsbewegungen geben, daran muss sich die Welt gewöhnen.
Welche Rolle kann Europa spielen und welchen Stellenwert hat das berühmte Projekt Seidenstraße?
Europa könnte eine Rolle spielen, weil die Europäische Union ein wirtschaftlich wichtiger Raum ist und weil der Euro eine Weltwährung ist. Die Chinesen haben sich das oft gewünscht, dass mit dem Euro der Dollar nicht mehr dieser überragende Rolle in der Welt spielt. Dazu ist es aber bisher nicht gekommen, weil die Europäer so zögerlich sind, sich wirklich zusammenzuschließen.
Die Seidenstraßeninitiative oder Beltand Road Initiative, wie sie in China heisst, Gürtel und Straße, das ist Wirtschaftspolitik und Außenpolitik zusammen.
Die chinesischen Firmen haben ein tolles Know How was Infrastruktur betrifft. Man sieht das an den Hochgeschwindigkeitszügen und den vielen neuen Flughäfen. Von diesem Know How können andere profitieren.
Klar, Kredite können auch Abhängigkeitsverhältnisse schaffen, aber sie müssen es nicht. Bei chinesischen Geldgebern muss man wie bei allen Geldgebern anschauen, was im Kleingedruckten steht, und chinesische Firmen müssen sich genauso an europäische Umweltregeln oder soziale Standards halten wie Firmen aus anderen Regionen. Wenn das gegeben ist, sollten sich die Europäer nicht fürchten.

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