Haiti braucht UNO-Polizisten aus Afrika

Haiti ist seit langem das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Zu materiellem Elend, Kriminalität und Krankheiten kommt eine tiefe politische Krise. Nach einem Auslandsaufenthalt konnte der von den USA unterstützte Präsident Ariel Henry nicht mehr in sein Land zurückkehren. Das Machtvakuum füllen bewaffnete Banden, die 80 Prozent  der Hauptstadt Port-au-Prince kontrollieren. Das Gefängnis wurde gestürmt, 4000 Insassen kamen frei.  Polizei und Armee sind machtlos.

 Der Chef des Bandenkartells, Jimmy Cherizier, gibt, umringt von Bewaffneten seiner G 69 Gang, auf offener Straße Pressekonferenzen, bei denen er den Politikern ausrichtet, wer in der Regierung sein soll. Der Bandenführer gibt sich als Freiheitskämpfer gegen die Reichen. Das Volk kennt  ihn beim Spitzname „Barbecue“, angeblich eine Anspielung auf die Spezialität Cheriziers seine Gegner zu verbrennen. Die harmlosere Interpretation ist, dass der Mann als Kind sein Leben beim Hendlstand seiner Mutter verbracht hat.

  Die nicht enden wollenden Erschütterungen haben dazu geführt, dass zwei Millionen aus dem Land geflohen sind, ein Fünftel der Bevölkerung.  Haiti ist zum failed state des amerikanischen Kontinents geworden, vergleichbar mit Somalia am Horn von Afrika. Statt der Dschihadisten, die Somalia terrorisieren, profizieren in Haiti die kriminellen Gangs vom Zerfall des Staates. Die Vereinten Nationen versuchen eine internationale Polizeimission auf die Beine zu stellen, um noch schlimmeres zu verhindern. Kenia könnte gemeinsam mit anderen afrikanischen Staaten UNO-Polizisten schicken.

  Der Weg Haitis ins Chaos ist von wechselnden Diktaturen, gescheiterten Hoffnungsträgern, Naturkatastrophen und  ausländischen Interventionen gesäumt.

  Am Anfang stand ein  Aufstand, mit dem sich die Karibikinsel unter der Führung des Rebellenführers und späteren Nationalhelden Toussaint Louverture von Sklaverei und Kolonialismus befreite. Die Truppen der französischen Kolonialmacht wurden von den ehemaligen Sklaven besiegt. Haiti war 1804 die erste freie schwarze Republik der Welt. Die Rache Frankreichs für die Schmach war fürchterlich. Haiti musste den französischen Sklavenhaltern und Plantagenbesitzern Entschädigungen für den verlorene Besitz zahlen, darunter auch für die befreiten Sklaven. Nirgendwo sonst haben sich Sklavenhalter für das Ende der „besonderen Institution“, wie die Massenversklavung in Nordamerika genannt wurde, von den Sklaven auch noch Reparationen zahlen lassen.  Historiker sehen in den erzwungenen Zahlungen nach Europa in Millionenhöhe einen wesentlichen Grund, warum Haiti im 19.Jahrundert wirtschaftlich nicht Fuß fassen konnte.

  Die USA haben den Karibikstaat erst nach der Abschaffung der eigenen Sklaverei 1862 anerkannt. Im Ersten Weltkrieg wurde Haiti von den USA  für 20 Jahre besetzt.

  Der amerikanische Publizist Connor O’Keeffe, ein libertärer Kritiker der US-Außenpolitik, widerspricht der gängigen These, dass  ausländische Interventionen geholfen haben das Land zu stabilisieren. Er erinnert daran, dass Langzeitdiktator Francois Duvalier mit seinen gefürchteten unter dem Namen Tontons Macoutes bekannten Todesschwadrone als Stütze des Antikommunismus in der Karibik aus Washington aktiv unterstützt wurde. Mit Nachfolger  Jean-Claude Duvalier, dem als „Baby Doc“ bekannten Sohn, herrschten die Duvaliers drei Jahrzehnte lang bis 1986.

 Der Priester, Befreiungstheologe und mehrmalige Präsident Jean-Bertrand Aristide war die prägende Politikerpersönlichkeit der Zeit nach der Diktatur. Aristide war linker Populist und Hoffnungsträger der Armen, kam aber  den traditionellen Eliten und den USA in die Quere.  Publizist Connor O’Keeffe zählt seit dem Ende des Kalten Krieges drei Regierungswechsel in Haiti, an denen die USA beteiligt waren.

  Naturkatastrophen verheerenden Ausmaßes  haben die politische Instabilität verschärft. 2010 zerstörte ein schweres Erdbeben große Teile der Hauptstadt. Sechs Jahre später folgte ein Hurrican. Während Monaten wütete außer Kontrolle eine Choleraepidemie. Ausgelöst war sie durch Bakterien worden, die von UNO-Blauhelmen aus Nepal herrührten. Die UNO-Soldaten hatten ihre Abwässer in einem Fluss entsorgt, aus dem sich benachbarte Dörfer mit Trinkwasser versorgt haben. Der Zusammenhang ist von UNO-Stellen lange geleugnet worden.

  Die Erfahrungen Haitis mit internationalen Interventionen waren selten gut. Die Vorbehalte in der schwarzen Bevölkerung gegen die weißen Nachbarn, allen voran die USA sind groß. 2021 ist der damalige Präsident Haitis, Jovenel Moise, von Killern erschossen worden. Es setzte der Zyklus von Gewalttätigkeit ein, der zum aktuellen Machtvakuum geführt hat. Die benachbarte Dominikanische Republik im Osten der gemeinsamen Karibikinsel will sich abschotten, um ein Übergreifen der Gewalt zu verhindern.

  Es wäre eine Schande, wenn sich Europäer und Amerikaner, die so lange das Elend Haitis mitverursacht haben, aus der Verantwortung stehlen. Einen politischen Neuanfang versuchen Parteien und Interessensverbände zur Zeit durch einem provisorischen Staatsrat, der aus Sicherheitsgründen  außerhalb des Landes in Jamaica zusammen kommen muss. Eine elementare Stabilisierung nach Jahren der Implosion kann in einem solchen extremen Fall von außen kommen.  Eine UNO-Polizeiaktion aus Afrika für Haiti, wie sie jetzt geplant ist, wäre ein sinnvoller Schritt den Verfall des leidgeprüften Staates auf dem amerikanischen Kontinent zu stoppen. 

ZUSATZINFORMATIONEN

Bandenterror

Die Gewalt der Straßengangs hat in Haiti  nach Angaben der UNO seit Jahresbeginn 1500 Menschenleben gefordert. Diplomaten und Ausländer haben den Inselstaat verlassen. Aus der Hauptstadt sind 53 000 Menschen auf Land geflohen, wo aber die Infrastruktur zusammen gebrochen ist.

Haitis schwarzer Revolutionsheld um 1800

Der Anführer der haitianischen Revolution, François-Dominique Toussaint Louverture, kam ursprünglich aus einer Familie von Sklaven. Er griff in der damaligen französischen Kolonie die Gleichheitsideal  der Französischen Revolution auf und richtete sie gegen die Kolonialherrn. Louverture, der auf Grund seines militärischen Geschicks als schwarzer Napoleon bezeichnet wurde, geriet in französische Gefangenschaft. Haiti wurde Monate nach seinem Tod 1804 seine Unabhängigkeit.

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