In dieser Woche beginnt die politische Saison der EU in Wien. Die Verteidigungsminister der EU haben ihre Herbsttagung bereits begonnen. Die Außenminister kommen ab heute Nachmittag zusammen. Ist das vor allem Routine oder sind konkrete Beschlüsse zu erwarten?
Ja, es ist bis zu einem gewissen Grad Routine, mit einer ganz breiten Palette an Themen von Korea bis zur Situation am Mittelmeer. Und das ist gut so. Diese Routine zeigt, dass die Institutionen der Europäischen Union gut funktionieren. Unabhängig davon, was man sich aus den Hauptstädten gerade gegenseitig auf den Kopf wirft.
Die Ministerräte sind ja so etwas wie die Länderkammer der EU, also das Gegenstück zum Europäischen Parlament. Und die Außenminister oder Verteidigungsminister sind angehalten nicht die Interessen ihrer jeweiligen Staaten im Kopf zu haben, sondern für das Ganze zu denken, wie sich Europa insgesamt positionieren soll.
Die österreichischen Minister, der Verteidigungsminister oder die Außenministerin, sind zwar die Gastgeber, weil Österreich das Vorsitzland ist. Aber der Vorsitz selbst wechselt in der Außenpolitik nicht, den führt die Chefdiplomatin der EU Federica Mogherini.
Für die Europäer hat es in den letzten Monaten beunruhigende Nachrichten aus Washington gegeben. Donald Trump stellt das transatlantische Bündnis in Frage. Zumindest einen Handelskrieg wird es vorläufig nicht geben. Trump hat alle Entscheidungen nach einem Besuch des Kommissionspräsidenten Juncker hinausgeschoben. Kann daraus eine dauerhafte Beruhigung im amerikanisch-europäischen Verhältnis werden?
Der große handelspolitische Krach zwischen Europa und Amerika ist zumindest herausgeschoben. Damit ist schon etwas erreicht. Trump will verhandeln, wenn er droht, das zeigt sich immer wieder. Mit Mexico hat es nach einem noch viel heftigeren Schlagabtausch jetzt zum Beispiel einen Kompromiss gegeben.
Aber Trump bedeutet mehr für die europäisch-amerikanischen Beziehungen. Die Europäer wissen jetzt, dass sie sich nicht mehr auf Amerika verlassen können, wenn es um ihre Sicherheit geht. Und das ist ein riesiger Unterschied zur gesamten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg.
Nicht nur um militärische Sicherheit, Sicherheit Banken und Finanzsystems.
Konkret erleben die Europäer ihre strategische Schwäche in der Auseinandersetzung um den Iran. Die Europäer sind nicht im Stande europäische Firmen wirkungsvoll zu schützen, die mit dem Iran Geschäfte machen wollen, entgegen den rein amerikanischen Sanktionen.
Weil der Einfluss der USA auf das internationale Finanzsystem so groß ist.
Diese große Frage, ob sich die Europäer die Instrumente geben, um Weltpolitik zu machen, die ist völlig offen.
Österreich hat während sechs Monaten die EU-Präsidentschaft inne. Da hat man sich einiges vorgenommen. Auch in der Außenpolitik. Ein besonderes Augenmerk der Österreicher liegt auf dem Balkan. Wie kann Europa nach so vielen Jahren Konflikt eine Versöhnung voranbringen?
Der Balkan ist immer für ganz Europa eine Nagelprobe gewesen dafür, was klappt und was nicht klappt.
Die größte Kraft übt die Perspektive aus, dass die Balkanstaaten einmal Mitglieder der Europäischen Union werden können. Eine Annäherung an die EU wollen die Menschen im ehemaligen Jugoslawien und das braucht die Wirtschaft.
Da ist auch viel passiert. Für diese Perspektive eines zukünftigen EU-Beitritts sind auch hartgesottene Nationalisten bereit mit den verfeindeten Nachbarn einen Modus Vivendi zu finden.
Auch die Präsidenten von Serbien und dem Kosovo reden miteinander, sogar über Grenzverschiebungen, was besonders heikel ist.
Ein Beispiel ist Mazedonien, das seit Jahren mit Griechenland erbittert über den Namen streitet, weil Griechenland sagt, Mazedonien gibt es schon im Norden Griechenlands. Jetzt hat man sich auf die Bezeichnung Nord-Mazedonien geeinigt. Das klingt banal und muss auch noch einem Referendum vorgelegt werden. Aber wenn das durchgeht ist der Weg frei für Entspannung zwischen den beiden Staaten Griechenland und Mazedonien.
Klar ist: ohne starke und gemeinsame Position der EU-Staaten können Streiterein zwischen den Nationalisten der verschiedenen Volksgruppen sehr leicht wieder aufflammen.
Im Frühjahr Europawahlen. Jetzt scheint das noch weit weg. Wie weit Vorbereitungen gediehen? Hat ja noch nie so viele starke EU-Kritiker in Regierungen gegeben. Wie wird sich das auf die Europawahlen auswirken?
Normalerweise sind Europawahlen ja eine Aneinanderreihung von sehr unterschiedlichen Wahlkämpfen in den einzelnen Mitgliedsstaaten, die nicht sehr viel miteinander zu tun haben.
Das wird diesmal anders sein. Die rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien wollen sich zusammentun und einen großen Wurf präsentieren. Der heissen soll: mehr Macht für die einzelnen Nationalstaaten, weniger Gemeinsamkeiten, also weniger Brüssel. Der Bundespräsident hat das als Perspektive der Zwergstaaterei bezeichnet. Wobei man nicht weiß, ob das nicht überhaupt zu einem Zerfall der Union führen würde, den einige rechtsextreme Parteien aktiv betreiben.
Das ist ein Fehdehandschuh, den die extreme Rechte den Befürwortern der weiteren Integration hinwirft. Man wird sehen, wie dieser Fehdehandschuh aufgenommen wird.
Auf jedem Fall werden Grundsatzfragen – weitere Integration, oder Rückkehr zum Vorrang der Nationalstaaten – in Europawahlkampf 2019 ins Zentrum rücken.