Der Pragmatiker Obama, Kuba und der Iran

Raoul Castro, der Bruder Fidels und Staatspräsident Kubas, bei einem Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten: das war letzte Woche eine Premiere. Die lateinamerikanischen Nachbarstaaten haben längst gute Beziehungen zu Kuba. Der Hauch revolutionärer Romantik, der die Castros  umgibt, ist im südlichen Teil des  Kontinents ein Atout. Aber von den Gipfeltreffen der westlichen Hemisphäre hatten die USA die Karibikinsel  verbannt.

   Barack Obama beseitigt mit der Öffnung zu Kuba eine der großen Irrationalitäten der US-Außenpolitik: den unversöhnlichen Hass, mit dem die Supermacht Amerika den kleinen Nachbarstaat seit einem halben Jahrhundert verfolgt.

  Dass im fernen China die Kommunistische Partei regiert, ist für Washington kein Problem.  Amerikanische Firmen machen gute Geschäfte.  Im Nahen Osten inhaftieren prowestliche Staaten  im Jahr mehr politische Gefangene als Kuba in Jahrzehnten. Der Allianz mit den USA tut das keinen Abbruch. Nur gegenüber Kuba schien Amerikas Todfeindschaft unüberwindbar. Das Embargo, das ursprünglich  den Sturz Castros bewirken sollte, blieb in Kraft, auch als dieses Ziel längst irreal war.

  Der  Feindschaft der Supermacht war die Langzeitfolge der traumatischen Erfahrung aus der Kubakrise 1962 : niemals zuvor sind die USA in der unmittelbaren Nachbarschaft durch eine fremde Macht derart bedroht gewesen, wie durch die Atomwaffen, die Chruschtschow und Castro  auf Kuba stationieren wollten. Nur Kennedys Besonnenheit hat einen nuklearen Weltkrieg verhindert.

  Für die  Blockade haben die Kubaner, die vom normalen Austausch mit dem  Nachbarn abgeschnitten sind,  einen hohen wirtschaftlichen Preis gezahlt. Profitiert hat  Amerika davon nicht.  Für die Regierung in Havanna war es leicht, alle wirtschaftlichen Probleme auf die amerikanischen Sanktionen zu schieben. Aber die Revolutionsinsel stand für die  Verletzbarkeit der Supermacht, das haben die amerikanischen Eliten Fidel Castro nie verziehen. Durch den Handschlag mit Raoul Castro in Panama zieht Obama einen Schlussstrich unter die Vergangenheit. 

 Das Weiße Haus drückt sogar aufs Tempo, denn Obama geht dem Ende seiner Amtszeit entgegen.  Er will den Kurswechsel unumkehrbar machen, bevor der Präsidentschaftswahlkampf in den USA neue Unsicherheiten bringt. Lieber heute als morgen wollen die USA Botschafter  austauschen, als symbolisches Zeichen für das Tauwetter.

   Aber Raoul Castro braucht Zeit. Er steht auf der Bremse. Die Normalisierung der kubanisch-amerikanischen Beziehungen ist für das Regime mit großen  Gefahren verbunden. Amerikanisches Kapital und amerikanische Besucher werden zu Umwälzungen auf der Insel führen. Vorbild ist China: Marktwirtschaft unter straffer politischer Kontrolle durch die Regierungspartei, das ist das Modell. Beim chinesischen Wirtschaftsboom haben Kapitalisten aus Taiwan eine wichtige  Rolle gespielt. Die Exilkubaner aus Florida könnten helfen  die kubanische Wirtschaft zu modernisieren, hofft man in Havanna. Aber das riesige China war  nie in Gefahr überrannt zu werden. Als direkter Nachbar des Wirtschaftsgiganten Amerika ist Kuba in einer unvergleichbar schwächeren Position.  

  Für Barack Obama ist die Normalisierung mit Kuba ein weiterer Schritt zu einer pragmatischen Außenpolitik jenseits des Erbes des Kalten Krieges. Ganz kann sich  allerdings auch die Obama-Administration in Lateinamerika vom  Großmachtgehabe  nicht befreien.  Wegen eines Streits mit den Nachfolgern des Linkspopulisten Chavez in Caracas, hat die Washington Venezuela zur Gefahr für die nationale Sicherheit der USA erklärt. Ein lächerlicher Winkelzug. Aber grundsätzlich sollen nicht mehr   Ideologien in der US-Außenpolitik  im Vordergrund stehen, sondern die realen Möglichkeiten einer Großmacht, die nicht mehr alleine bestimmen kann in der Welt.

  Eine ähnliche Logik verfolgt Obama gegenüber dem Iran:   Reza Pahlevi war ein  enger Verbündeter wie der kubanische Diktator Batista vor Castro, nur war der Schah viel wichtiger. Als Reza Pahlevi sich 1953 an die Macht putschte, hatte der CIA seine Hände im Spiel.  Der schiitische Revolutionsführer Khomeini, dessen Revolution  den prowestlichen  Schah vertrieb,  hat die USA im Nahen Osten  genauso  gedemütigt wie  Fidel  Castro in Lateinamerika.

  Auch bis der Atomdeal mit dem Iran endgültig greift, wird es noch  dauern. Der Vertragstext ist geheim. Beide Seiten veröffentlichen unterschiedliche Interpretationen. Im Teheran deponiert der Oberste Führer Khamenei  seine Zweifel. In Washington  wird das Sperrfeuer der Republikaner stärker.

  Sowohl mit dem Iran als auch mit Kuba ist Amerika  dabei Konflikte zu lösen, die sich als Erbschaft aus der Vergangenheit  verfestigt habe. Obama hat eineinhalb Jahre Zeit, diesen Weg unumkehrbar zu machen.