Wie Donald Trump die Weltordnung destabilisiert, 20.12.2017

Doppelherrschaft ein labiles System ist. Das wusste schon Wladimir Iljitsch Lenin. Nach einer Phase der Unsicherheit gewinnt die Revolution oder die Konterrevolution. Der russische Revolutionär dachte an die Umbrüche nach dem Ersten Weltkrieg. Ein ähnliches Bild bietet die Spitze der Supermacht Amerika hundert Jahre später. Mit Konsequenzen für die ganze Welt.
Seit Donald Trump im Weißen Haus regiert, tobt ein erbitterter Kampf zwischen den nationalistischen Demagogen und dem republikanischen Establishment. Die Niederlage eines rechtsextremen Freaks und Richters, Roy Moore, bei Senatswahlen in Alabama war ein Rückschlag für Trump. Die Russland-Ermittlungen von Sonderstaatsanwalt Mueller gegen Trumps Umfeld stellen die Möglichkeit eines Impeachments in den Raum.
Auch die Weltpolitik wird zum politischen Schlachtfeld. Außenminister Rex Tillerson lässt Mitte Dezember mit der Erklärung aufatmen, dass die USA zu Verhandlungen mit Nordkorea bereit sind. Ohne Vorbedingungen, verspricht er, wir können auch über das Wetter reden. Die Leitartikelschreiber greifen in die Tasten und loben die Flexibilität der Großmacht. China und Russland sind begeistert. Die Gefahr eines katastrophalen Krieges scheint abgewendet. 24 Stunden später lässt das Weiße Haus erklären, dass der Außenminister der USA nicht für die USA spricht. Der Präsident lehnt Gespräche ohne Vorleistungen Nordkoreas ab.
Es ist nicht das erste Mal, dass Präsident und Außenminister einander offen bekriegen. Trump will seinen Chefdiplomaten zum Rücktritt drängen. Rex Tillerson ist das Aushängeschild des Establishments im Kabinett. Mit Pentagonchef James Mattis will er Trump von den nationalistischen Exzessen seines Wahlkampfes auf den Boden der konventionellen Staatsführung zurückholen. Dazu gehören Rücksichtsnahmen auf andere Staaten. Im Konflikt mit Nordkorea sind Verhandlungen die einzige Alternative zu einem Krieg, bei dem auch Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten.
Der inzwischen aus dem Weißen Haus zur rechtsextremen Nachrichten-Webseite Breitbard News zurückgekehrte Steve Bannon ist das sichtbarste Aushängeschild der populistischen Rebellen. Bannon hält eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den USA als etablierter Weltmacht und China als aufsteigendem Herausforderer für wahrscheinlich. Zur revolutionären Fraktion gehört auch US-Senator Steve King aus Iowa, der als Kontaktmann nach Österreich für die neuen FPÖ-Regierungsmitglieder Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer fungiert. Senator Steve King bewundert Marine Le Pen, Geert Wilders und andere Rechtsextreme in Europa.
Auch bei der Ankündigung Trumps, dass die USA ihre Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen werden, stehen innenpolitische Motive im Vordergrund. Trump muss seine bedingungslosen Unterstützer, 30 Prozent der Wähler, bei der Stange halten, sonst könnte Senatsführer Mitch McConnel einer Amtsenthebung nahe treten. Viele christliche Fundamentalisten sind proisraelisch, weil sie glauben, dass die Eroberung ganz Palästinas durch Israel zum sogenannten Second Coming, der Rückkehr Jesu auf Erden führen wird. Die Vorstellung klingt absurd, aber für viele Millionen gehört das Second Coming zum Credo. Trumps Unterstützung für die nationalistischen Ultras im israelischen Kabinett bindet die Fans im eigenen Land an ihren Messias.
Gleichzeitig richtet sich die gestärkte Achse Trump-Netanjahu gegen den Iran. Netanjahu arbeitet seit langem auf einen Krieg gegen die Mullahs hin. Trump lehnt das in Wien ausgehandelte Atomstoppabkommen ab. Eine Eskalation gegen Teheran passt auch dem starken Mann Saudi-Arabiens, Kronprinz Mohammed Bin Salman, ins Konzept. Unter Bin Salman könnten die Saudis die arabische Welt ruhig halten, sollte Israel gegen die proiranische Hisbollah im Libanon Krieg führen, kalkulieren rechte Ultras in Jerusalem. Der Streit um Jerusalem träte in den Hintergrund. Das Ziel der Palästinenser, selbstbestimmt und ohne Besatzungsmacht zu leben, wäre unerreichbar.
Seit dem Beginn des Atomzeitalters schützt uns die Berechenbarkeit der Großmächte vor der nuklearen Vernichtung, schreibt das linke US-Onlinemagazin Counterpunch. Trump dagegen glaubt, dass Unberechenbarkeit der Weg zum Erfolg ist. Erfolg gibt es keinen, dafür nehmen die Risiken zu. Der schärfste Kritiker der Trumpschen Außenpolitik im Senat ist der Republikaner Bob Corker. Corker warnt vor einem Dritten Weltkrieg durch Trumps Unverantwortlichkeit. Nur der Außenminister, der Verteidigungsminister und der Stabschef des Weißen Hauses stehen zwischen uns und dem Chaos, sagt Corker.
Dass die Supermacht Amerika die Welt destabilisiert, ist die wichtigste Neuentwicklung des Jahres 2017.