Zum ersten Mal seit der Annexion der Krim durch Russland kommen in Brüssel heute die NATO-Außenminister zusammen. Dabei wird es um die Forderung der Baltischen Staaten und Polens gehen, angesichts der russischen Drohungen gegen die Ukraine verstärkte militärische Präsenz zu zeigen. Gleichzeitig soll aber der Weg zum Dialog mit Moskau nicht verbaut werden.
Dass Russland die bestehenden Grenzen in Frage stellt, hat zu einem unerwarteten Comeback der NATO geführt, mit dessen Folgen die NATO-Außenminister sich heute auseinandersetzen werden. Denn die Planer im NATO-Hauptquartier in Brüssel werden kaum fertig damit, auf die zahlreichen Zurufen nach stärkerer militärischer Präsenz an den östlichen Grenzen zu reagieren.
Am lautesten ist die Forderung nach konkreten Signalen der Solidarität in den baltischen Staaten, die einst Teil der Sowjetunion waren. Konkret geht es um verbesserte Luftraumüberwachung. Lettland, Estland und Litauen haben nach der Unabhängigkeit auf den Aufbau einer eigenen Luftwaffe verzichtet, weil das zu teuer ist. Die Luftraumüberwachung übernehmen im Turnus verschiedene NATO-Staaten. Jetzt haben mehrere NATO-Länder ein Dutzend zusätzliche Abfangjäger für Patrouillen im baltischen Luftraum bereit gestellt. Deutschland schickt ein AWACS-Aufklärungsflugzeug nach Polen und ein Minenräumschiff in die Ostsee.
Im NATO-Hauptquartier in Brüssel betont man, es handle sich um ein absolutes Minimum an zusätzlichen Maßnahmen. Die NATO-Außenminister werden heute diskutieren, ob auch Bodentruppen ins Baltikum verlegt werden sollen. Die Meinungen dazu sind geteilt. Das atlantische Bündnis hat weder Atomwaffen noch Streitkräfte in größerem Umfang den östlichen NATO-Staaten stationiert, das wurde Russland einst vertraglich versprochen.
Die Ukraine selbst ist kein NATO-Mitglied und fällt daher auch nicht unter die Beistandsklausel des Bündnisses. Trotzdem will man die Regierung in Kiew auch in der Sicherheitspolitik unterstützen. Im Brüsseler Hauptquartier ist von zivilen Beratern im ukrainischen Verteidigungsministerium die Rede.
Die militärischen Manöver, die Russland in den letzten Tagen an der ukrainischen Grenze durchgeführt hat, sieht man in der NATO als Mittel der politischen Erpressung. Etwa 20 000 russische Soldaten waren beteiligt. Rein militärisch könnte Russland damit aus dem Stand in die Ukraine vorstoßen, ergänzt man im Kreis von Militärexperten der EU. Die ukrainischen Streitkräfte hätte keine realistische Chance zur Gegenwehr. Ein Batallion, das sind mehrere hundert Mann sind nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums inzwischen abgezogen worden.
Dass Russland für die Ukraine den Status der Neutralität fordert, wird im NATO-Hauptquartier in Brüssel nicht von vornherein verworfen. Eine Aufnahme der Ukraine in die NATO ist sowieso nicht aktuell, das hat zuletzt auch Barack Obama versichert. Und mit der von der Ukraine gewünschten Annährung an die EU ist Neutralität voll vereinbar, wie die Beispiele der neutralen EU-Mitglieder Österreich und Finnland beweisen.