- · Die EU hat nun also doch deutlicher reagiert als erwartet, bleibt aber doch (in Wortwahl und Reaktion) viel sanfter als die USA. Warum eigentlich?
Bei der amerikanischen Reaktion gibt es auch eine militärische Dimension. Die US schicken demonstrativ einige F-16 Kampfflugzeuge nach Lettland. Solche Gesten können und wollen die Europäer nicht setzen. Es hat ja auch Wladimir Putin die USA viel direkter attackiert als Europa, die USA gelten bei ihm als die angeblichen Drahtzieher der verschiedenen Demokratiebewegungen in den ehemaligen Sowjetrepubliken.
In der Sache sind Europäer und Amerikaner ziemlich einig. Man will es nicht akzeptieren, dass Russland die Grenzen in seinem Umfeld verschiebt. Und vielleicht sogar die Existenz eines ganzen Staates wie der Ukraine in Frage stellt.
Die Europäer, vor allem die Deutschen setzen vielleicht ein bisschen mehr auf Verhandlungen als die USA. Aber auch der amerikanische Außenminister John Kerry verhandelt ja mit Lawrow, dem russischen Minister.
Und die Sanktionen, die die Europäer im Rahmen ihres Stufenplanes nennen, wenn Russland die Lage weiter verschärft, die gehen ja bis Wirtschaftssanktionen, Reisebeschränkungen und dem Einfrieren von Vermögen, das sind Massnahmen, die ziemlich weitgehen und den amerikanischen Schritten sehr ähnlich sind.
Eigentlich gibt es eher eine gemeinsame transatlantische Botschaft an Russland: wenn Putin Konflikt auf die Ostukraine ausweitet, auch dort Paramilitärs hinschickt und Abspaltungstendenzen fördert, dann kommt eine Eiszeit zwischen Europa und Amerika gegenüber Russland.
- · Wie kaum ein politischer Konflikt der vergangenen Jahre und Jahrzehnte fordert diese Krise Europa. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat heute sogar vor einer Spaltung gewarnt. Wie weit sind wir davon noch entfernt?
Steinmeier hat vor einer Spaltung zwischen der Europäischen Union und Russland gesprochen, mit scharf getrennten Einflussbereichen.
Diese Spaltung könnte es geben, wenn Putin seine Euroasische Union als Nachfolgeprojekt der Sowjetunion weitertreibt, auch auf Kosten der Einheit der Ukraine.
Das ist die ganz große Frage, um es jetzt geht: gelingt es durch die Kombination von diplomatischem Druck und Verhandlungen die Ukraine als einheitlicher Staat zu halten, mit Rechten für alle Volksgruppen, auch die russische Volksgruppe, aber ohne ein Staat zu sein der Russland untergeordnet ist, wie sich das Putin vorstellt.
Gelingt das, und stabilisiert sich die Ukraine auf der Grundlage einer Einigung zwischen dem Westen und Russland, dann wird die Spaltung Europas vielleicht nicht so schlimm ausfallen, wie Steinmeier befürchtet.
Aber zur Zeit zeigen die Zeichen eher in die Richtung einer Verschärfung der Auseinandersetzung, das sage jetzt nicht ich als Reporter, das ist die Einschätzung der Staats- und Regierungschefs der EU.
Innerhalb der EU sind die Unterschiede übrigends geringer als in anderen internationalen Krise. Gegenüber Russland kann man schon von einer gemeinsamen Strategie sprechen.
Angela Merkel, die als deutsche Kanzlerin am meisten auf eine Verständigung mit Putin gehofft hat, war ziemlich enttäsucht, dass es Moskau überhaupt kein Entgegenkommen gegeben hat und sie den heute deutlich verschärften Kurs mitformuliert.
CL
- · Es gab heute Nachmittag Meldungen wonach Moskau eine Gegenreaktion auf mögliche Sanktionen plane. Das ist davon die Rede, dass Eigentum, Aktiva und Konten europäischer und amerikanischer Unternehmen konfisziert werden könnten. Halten Sie das für ein realistisches Szenario?
HV
- · Wenn die Stimmung zwischen den USA und Russland rauer ist, dann weckt das unwillkürlich Gedanken an den Kalten Krieg. Sind diese Assoziationen berechtigt?