Ein Gipfel Biden-Putin in Wien – nicht völlig undenkbar

  Zwischen dem neuen US-Präsidenten Joe Biden und Russlands Präsident Putin sind harte Worte gefallen und es gab Drohgebärden. Jetzt ist plötzlich von der Möglichkeit eines Gipfels zwischen den beiden Staatsoberhäuptern die Rede. Was ist da passiert und ist ein solcher Gipfel realistisch?

Ein Gipfel Biden-Putin ist absolut möglich und das ist ein gutes Zeichen. Biden hat den Vorschlag gemacht, Putin ist nicht abgeneigt und jetzt wird hinter den Kulissen über das wann und wie verhandelt. In einem Fernsehinterview hat Biden war mit einem Ja geantwortet, wie er gefragt wurde, ob er Putin für einen Killer hält. Aber das ist passiert und war dem Weißen Haus offenbar auch peinlich. Biden hat sich in der Folge demonstrativ bemüht keinen konfrontativen Stil gegenüber Putin an die Tag zu legen. Der russische Präsident hat auch kein großes Aufheben über diesen Killer-Sager gemacht. Da war schon klar, beide Seiten sind an einem großen Krach nicht interessiert.

Dann hat Russland gesagt die großangelegten Manöver an der Grenze zur Ukraine stehen vor dem Abschluss. Da waren Viele im Westen erleichtert, denn Manöver sind oft ein Deckmantel für die Vorbereitung zu einem Militärschlag. Wenn zehntausende Soldaten wieder ins Landesinnere zurückgezogen werden, dann geht diese Sorge zurück.

Bei der Auseinandersetzung um das Schicksal des prominenten Dissidenten Nawalny gibt es widersprüchliche Signale. Russland will die Stiftung Nawalnys, bei der es um den Kampf gegen Korruption geht, total verbieten. Das ist eine schlimme Verschärfung des Klimas im Inneren. Aber Nawalny selbst hat medizinische Betreuung bekommen und er hat seinen Hungerstreik abgesagt. Damit ist das Schicksal des prominenten politischen Gefangenen nicht mehr in dem Ausmaß ein Hindernis für den Dialog zwischen Russland und den USA.

Russland hat das Gipfelangebot Bidens positiv aufgenommen. Jetzt wird hinter den Kulissen über Ort, Zeitpunkt und mögliche Themen verhandelt.

Die österreichische Bundesregierung hat als einen möglichen Ort für einen solchen Gipfel Wien ins Gespräch gebracht. Die österreichische Hauptstadt sieht sich gerne als Ort der Begegnung, aber amerikanisch-russischen Gipfel hat es hier schon lange nicht mehr gegeben. Wie stehen die Chancen diesmal?

Sicher ist natürlich nichts, auch der Gipfel selbst ist nicht fixiert. Aber die  Chancen, dass sich Biden und Putin in Wien treffen sind absolut gegeben. Das letzte amerikanisch-russische Gipfeltreffen fand zwischen Putin und Trump statt, in Helsinki. Es hat damals die russische Seite bereits Wien als Ort vorgeschlagen, aber im letzten Augenblick wollte die Trump-Administration dann lieber Helsinki. Aber für Trump war das ganze Treffen ein Desaster, weil Trump gesagt hat, er glaubt Putin mehr als einen eigenen Geheimdiensten. An diesen peinlichen Ablauf wollen die Amerikaner sich nicht erinnern. Auch Prag hat sich angeboten. Aber zwischen Tschechien und Russland gibt es gerade einen heftigen diplomatischen Konflikt, mit Diplomatenausweisungen, um die Tätigkeit russischer Agenten in Tschechien. Prag ist in der jetzigen Situation für Putin faktisch unmöglich. Damit erhöhen sich die Chancen für Wien.

Es ist natürlich immer auch Genf ein Ort der sich für internationale Treffen anbietet.

In der Vergangenheit war der österreichische  Bundeskanzler einer jener Politiker, die mit einem positiven Zugang auf  Trump aufgefallen sind. Ob ihm diese österreichischen Signale, dass der Kanzler ein  Trump Versteher ist, bei der gegenwärtigen Administration schaden, das ist unklar. Auf jeden Fall ist das österreichische Angebot offiziell in Washington und Moskau deponiert worden, und bisher gibt es keine negative Reaktionen, die die Österreicher ausgemacht hätten.

Von welchem Zeitraum sprechen wir da?  Gipfeltreffen zwischen den USA und Russland werden ja normalerweise mehrere Monate vorbereitet.

 In diplomatischen Kreisen geht man normalerweise davon aus, dass es für einen solchen Gipfel sechs Monate Vorbereitungszeit geben muss, damit das einen Sinn hat. Dieser Vorlauf wäre sicher nötig, wenn man die Beziehungen neu aufstellen muss.  Aus amerikanischer Sicht geht es aber weniger um einen echten Neuanfang, als darum die Beziehungen zu stabilisieren und die vielen kleinen Dispute einzufangen.

Einen fixen Termin gibt es, an dem Joe Biden in Europa erwartet wird. Das ist Anfang Juni. Am 11. , 12., 13 Juni findet ein G7 Treffen der westlichen Industrienationen in Cornwall statt, in Großbritannien. Es wird der erste Besuch Bidens als Präsident in Europa sein.  Am Tag danach, dem 14.Juni ist NATO-Gipfel in Brüssel und ein Treffen mit der EU-Spitze vorgesehen. Da wäre natürlich die Möglichkeit in diesen Tagen auch eine Zusammenkunft mit Putin zu organisieren, das würde dem Präsidenten einen Transatlantikflug ersparen aber es wäre natürlich schon eine ziemliche physische Anstrengung noch einen Gipfeltag anzuhängen nach drei Tagen G7 und einem Tag NATO und EU. Nicht ausgeschlossen, aber nicht rasend wahrscheinlich, weil bis dann ja nur mehr wenige Wochen sind.

 Was könnte dann der Wert eines solchen Gipfels sein, wenn es tatsächlich dazu kommt?

Ein Gipfel könnte signalisieren, dass die zwischen staatlichen Beziehungen nicht aus dem Ruder laufen müssen, auch wenn man in Menschenrechtsfragen übers Kreuz liegt. Oder wenn bei Hackerangriffen die Geheimdienste übers Ziel hinausschießen.

 Biden hat ja zum Beispiel vor Kurzem neuerlich Sanktionen gegen Russland verhängt, weil man Russland die Einmischung in die amerikanische Wahlkämpfe vorwirft. Diese Sanktionen waren aber ziemlich beschränkt, 10 Diplomaten hat man wechselseitig nach Haus geschickt,  man will keine Eskalation. Putin war zu einem virtuellen Klimagipfel, den Biden organisiert hat, eingeladen. Die USA haben sehr rasch Rüstungskontrollmaßnahmen für strategische Atomwaffen wieder eingesetzt, die Trump aufkündigen wollte. Die Signale waren: Washington ist bereit den Status Russlands als Großmacht zu akzeptieren und etwas Stabilität in die Beziehungen bringen. Ein Gipfel kann diese Signale verstärken. Es könnte einen Start geben für die Erneuerung anderer Rüstungskontrollmaßnahmen, die eigentlich dringend nötig wäre. Dazu braucht es ein minimales Grundvertrauen zwischen Moskau und Washington, für das ein Gipfel das Symbol sein kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*