Der Syrienkrieg im Chaos der Weltpolitik, 28.2.2018

Nach sieben Jahren gewinnt in Syrien Baschar al Assad den Krieg. Die Hälfte der Bevölkerung ist auf der Flucht. Ganze Landstriche sehen so aus, wie Europa im 30-jährigen Krieg. Ost-Ghuta, die letzte islamistische Hochburg im Umkreis von Damaskus, wird sturmreif bombardiert. Vor vier Jahren versuchte das Regime die Rebellen in Ost-Ghuta durch Giftgas zu vertreiben. Vor einer Militärintervention schreckte damals US-Präsident Obama zurück. Das Assad-Regime musste seine Giftgasdepots zerstören. Das Rebellenzentrum, wenige Kilometer vom Zentrum der Hauptstadt entfernt, konnte überleben. Der UNO-Sicherheitsrat verlangt jetzt eine Feuerpause. Aber der Druck einer internationalen Aktion bleibt aus.
Die syrischen Regierungstruppen haben die größten Teile des Territoriums nicht aus eigener Kraft zurückerobert. Der sunnitischen Mehrheit ist der Assad-Klan, der sich auf die Sekte der Alawiten stützt, so verhasst, wie am ersten Kriegstag. Es war die militärische Unterstützung durch Russland und den Iran, die das Kräfteverhältnis verändert hat. Die russische Luftwaffe kontrolliert den Luftraum. Schiitische Hisbollah-Kämpfer aus dem Libanon und iranische Revolutionsgardisten füllen die Reihen der Regierungstruppen.
Was jetzt droht, ist eine neue Stufe der Internationalisierung des Syrienkrieges, in der Großmächte und Nachbarn aneinander geraten. Gegen die Dschihadisten des IS bildete sich eine breite internationale Allianz. Die NATO, die Türkei und Saudi Arabien, Russland und der Iran waren am Kampf gegen die Terrororganisation beteiligt. Die Allianz war erfolgreich. Es gibt höchstens noch ein paar hundert versprengte Kämpfer im syrisch-irakischen Grenzgebiet. Aber mit der Niederlage des gemeinsamen Feindes kommen die Widersprüche zwischen den einstigen Verbündeten mit voller Wucht zu Tage.
Plötzlich stehen die geopolitischen Gegensätze im Zentrum. Die israelische Tageszeitung „Haaretz“ berichtet, dass sunnitische Rebellengruppen aus Israel Geld und Waffen erhalten, weil Jerusalem proiranische Milizionäre von der Grenze am Golan fernhalten will.
Erstmals ist diesen Monat eine iranische Drohne in den israelischen Luftraum eingedrungen. Die Israelis bombardierten daraufhin Militäranlagen in Syrien, verloren aber ein Kampfflugzeug im Abwehrfeuer. Für Jerusalem war das ein Schock. Die israelische Luftwaffe ist keinen Widerstand aus den Nachbarstaaten gewohnt.
Jahrelang wollte der israelische Ministerpräsident Netanjahu die USA wegen des Atomprogramms in einen Krieg gegen den Iran drängen. Vergeblich. Jetzt warnen Hardliner in Jerusalem, dass durch einen Sieg Assads ein iranisch beeinflusster Korridor entstehen könnte, der sich bis zum Mittelmeer erstreckt. In Syrien zeigen sich die Vorboten eines zukünftigen israelisch-iranischen Krieges, vermutet die Strategieexpertin Judy Dempsey im Think Tank Carnegie Europe.
Die Niederlage des IS hat die Rivalität zwischen den USA und Russland in Syrien befördert. Nach einem US-Bombenangriff auf Pro-Assad-Milizen in Ostsyrien Anfang Februar, musste das Verteidigungsministerium in Moskau zugeben, dass Dutzende russische Paramilitärs umgekommen sind. Andere Quellen sprechen von 300 russischen Toten und Verletzten. Die Öffentlichkeit erfuhr von einer sogenannten Gruppe Wagner, das sind russische Söldner, die auf der Seite Assads kämpfen.
Umgekehrt halten die USA ihre militärische Präsenz in Syrien aufrecht. In Nordsyrien unterstützen US-Soldaten die kurdischen Kämpfer, die in der Schlacht gegen den IS die Hauptlast getragen haben. In der Stadt Manbidsch sind 2000 GIs stationiert. Keine hundert Kilometer westlich beschießt das NATO-Land Türkei die kurdische Enklave Afrin. Russland, das den Luftraum kontrolliert, lässt die Türken gewähren. Moskau reibt sich die Hände, wenn die Probleme der USA wachsen. Die Rivalität zwischen Russland und den USA hält den militärischen Konflikt am Kochen.
Die USA sind zu einer unberechenbaren Weltmacht geworden. Putins sabotiert UNO-Vermittler De Mistura, bietet aber selbst keine Lösung an. Erdogan in der Türkei, Netanjahu in Israel und die Mullahs in Teheran: alle stecken in innenpolitischen Turbulenzen. Jedem einzelnen ist eine Flucht nach vorne zuzutrauen, um von eigenen Problemen abzulenken.
Der britische Guardian vergleich den Horror von Ost Ghuta mit dem Massaker an den bosnischen Moslems in Srebrenica 1995. Eine NATO-Militäraktion unter der Führung der USA erzwang den Friedensschluss von Dayton. Im Nahen Osten ist keine Ordnungsmacht in Sicht, die die Rolle Amerikas vor 20 Jahren übernehmen könnte. Millionen Syrer zahlen den Preis für das wachsende Chaos in der Weltpolitik.

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