Australiens umstrittene Flüchtlingspolitik, MiJ, 11.6.2016

Mit seiner Forderung, dass Europa in der Flüchtlingspolitik an der australischen Praxis anknüpfen soll, hat Außenminister Kurz europaweit einiges Aufsehen erregt. In Australien selbst ist gerade Wahlkampf. Und die harte Linie gegen über Boat People, die konsequent von den Küsten des Kontinents abgewiesen werden, ist einer der großen Streitpunkte in der australischen Gesellschaft.

Eigentlich geht es im Australischen Wahlkampf um die Wirtschaft. Denn seitdem im benachbarten Asien Chinas Wirtschaft stottert, wächst auch die Unsicherheit auf dem Kontinent südlich des Äquators. Aber diese Woche ist die harte Flüchtlingspolitik der liberalen Regierung ins Zentrum gerückt. Einwanderungsminister Peter Dutton, ein Hardliner im konservativen Kabinett, warnt vor unqualifizierten Zuwanderern.

„Sie nehmen Australiern Arbeitsplätze weg und wenn sie arbeitslos sind, ist das teuer für das Sozialsystem.“

Bootsflüchtlinge werden wir weiter keine aufnehmen, beteuert der liberale Einwanderungsminster Peter Dutton im Wahlkampf. Über offizielle Wege kommen sowieso jedes Jahr 13 750 Flüchtlinge ins Land.

„Das ist eine Beleidigung nicht nur für die Flüchtlinge, sondern für alle Einwanderer Australiens“, repliziert der Herausforderer der sozialdemokratischen Labour Party Bill Shorten.

Allerdings sind in Australien sowohl Liberale als auch Sozialdemokraten dafür, die umstrittene Politik der Zurückweisung von Bootsflüchtlingen fortzusetzen. Nur die Grünen, die wenig Einfluss haben, verlangen einen grundsätzlichen Kurswechsel.

Die Internierung hunderter Flüchtlinge, die auf hoher See abgefangen wurden, auf fernen Pazifiinseln ist in den letzten Monaten auf zunehmende Schwierigkeiten gestoßen. Ein Höchstgericht im Nachbarstaat Papua Neuguinea hat die Internierung für illegal erklärt. Die Verzweiflung der Insassen, die nicht wissen, wann sie freikommen, entlädt sich in Selbstmorden, die die australische Öffentlichkeit schockieren.

Eine Umfrage des Fernsehsenders ABC zeigt inzwischen ein total gespaltenes Land. Die Zurückweisung von Flüchtlingsbooten durch die australische Marine wird von 49 Prozent der Australier befürwortet, aber gebnau 49 Prozent lehnen sie auch ab. Eine knappe Mehrheit findet, das Land soll mehr und nicht weniger Flüchtlinge aufnehmen.

Die Regierung in Canbarra sagt, dass keine Flüchtlinge mehr ertrinken, seit die Marine keine Boat People mehr ins Land lässt.

Ein Argument, das der Chef des Australischen Flüchtlingsrates Phil Glendennig, nicht akzeptiert.

„Letztes Jahr waren in Südostasien 53 000 Flüchtlinge auf Booten unterwegs“, sagt Glendenning. Die australische Marine drängt sie ab, sie verhindert nicht, dass sie kommen. Die australische Politik verhindert nicht, dass Flüchtlinge sterben, sie ertrinken nur nicht mehr dort, wo sie vom australischen Fernsehen gefilmt werden, sagt der Chef des Flüchtlingsrates.

„Stirb wo anders, das sei in Wirklichkeit die australische Politik.“

Jede Regierung, die nach dem Wahltag am 2.Juli in Canberra an die Macht kommt, wird von der gegenwärtigen Flüchtlingslinie abgehen müssen, glaubt der Experte. Die Internierungslager auf den fernen Pazifikinseln seien unmenschlich und außerdem viel zu teuer. Die vielen Milliarden, die in die Finanzierung der Seeblockade für Flüchtlinge gesteckt werden, wären besser in nachhaltigen Hilfsprojekten angelegt.

Anders als in Europa ist Australien mit keinen verheerenden Kriegen in der Nachbarschaft konfrontiert. Die letzte große Flüchtlingswelle aus Indochina nach dem Vietnamkrieg haben die Australier problemlos verkraftet. Viele damalige Boat People sind heute in Spitzenpositionen.

Auch der Premierminister der liberale Regierungspartei Malcolm Thurnbull betont stolz, Australien sei das erfolgreichste multikulturelle Land der Welt.

Dass die Abweisung von Flüchtlingsbooten ausgerechnet von der Einwandererinsel Australien dem Land international einen schlechten Ruf beschert, ist laut Umfragen für viele Bürger ein Problem. Als Reaktion wird die Regierung in den nächsten Jahren 12 000 Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen.