Das Skelett der ausgebrannten Handelskammer in den Ruinen von Hiroshima ist das Symbol für die verheerendste Waffe, die von der Menschheit je entwickelt wurde. 92 000 Menschen, nahezu alle Bewohner des Stadtzentrums, wurden in den Morgenstunden des 6.August 1945 durch Explosion der Atombombe mit dem Namen Litte Boy getötet. In einem kilometerweiten Umkreis blieb kein Gebäude stehen. 130 000 kamen in Folge der radioaktiven Strahlung um. Das Kriegskabinett in Tokyo realisierte erst nach dem zweiten Atombombenangriff auf Nagasaki, was geschehen war. Das japanische Militär gab nach und der Kaiser kapitulierte. Für den amerikanischen Präsidenten Harry Truman war es am Ende des mörderischen Zweiten Weltkrieges logisch, die mit riesigem Aufwand im Manhattan Project entwickelte Waffe auch tatsächlich einzusetzen. Japan beherrschte noch halb Asien. Das Kaiserreich war nach dem Ende Hitlerdeutschlands schwer angeschlagen, fühlte sich aber nicht besiegt. Die japanischen Streitkräfte trainierten zehntausende Selbstmordpiloten, die einen Sturm auf die Hauptinseln in ein Blutbad verwandeln sollten. Die amerikanische Generalität erwartete, dass der Pazifikkrieg noch Monate dauern würde. Die Dimensionen der neuen Waffe waren Truman zum Zeitpunkt der Abwürfe Anfang August 1945 bewusst. Die durch die Radioaktivität verursachten Langzeitfolgen sind erst in der Folge zu Tage getreten. Die in den USA gängige Erklärung für die Atombombenangriffe ist unter Historikern umstritten. Der Tenno hatte den Glauben an einen Endsieg verloren. Zu einer japanischen Kapitulation wäre es nach dem Kriegseintritt der Sowjetunion auch ohne Bombe gekommen, argumentierten spätere Kritiker. Aber Amerika beendete den Krieg mit einem Vernichtungsschlag, ohne Rücksicht auf zivile Opfer. Für die Nachwelt sind die Atombombenabwürfe Kriegsverbrechen historischer Dimension. In der Mitte der Schlacht selbst spielte diese Frage keine Rolle. Tatsächlich hätte ein langer Pazifikkrieg um vieles mehr Opfer gefordert, als Hiroshima und Nagasaki. Sicher ist, dass Truman beim grünen Licht für die Bombe auch an Stalin dachte. Das vorläufige Monopol auf die Bombe verschaffte den USA einen strategischen Vorteil gegenüber dem potentiellen neuen Feind. Hiroshima war auch ein Vorgriff auf den sich abzeichnenden Kalten Krieg. Dass in den 70 Jahren seither nie wieder eine Atomwaffe eingesetzt wurde, grenzt an ein Wunder. Am Höhepunkt des Kalten Krieges gab es weltweit 50 000 nukleare Sprengköpfe. Ein Bruchteil hätte gereicht, den Planeten Erde mehrfach zu vernichten. Während der Kubakrise ist die Menschheit einem Atomkrieg um eine Haaresbreite entgangen. Nur die Skrupel eines russischen Marineoffiziers auf einem sowjetischen U-Boot in der Karibik verhinderten den von Moskau grundsätzlich genehmigten Abschuss einer nuklear bestückten Rakete. Sowohl im Koreakrieg als auch in Vietnam und im Nahen Osten ist der Einsatz von Atomwaffen überlegt worden. Der italienische Asienexperte Francesco Sisci argumentiert, das Gleichgewicht des Schreckens konnte nur dank der Opfer von Hiroshima funktionieren. Die Erinnerung an die verheerenden Auswirkungen der Bombe hat den wildesten militärischen Draufgängern die Hände gebunden. Der Mechanismus von MAD, der Mutual Assured Destruction, schuf Stabilität im Wettrüsten der Supermächte. MAD bedeutet, dass kein Atomstaat einen nuklearen Erstschlag wagen kann, weil er vom unvermeidlichen Gegenschlag des Feindes selbst zerstört würde. In erstaunlicher Weise ist es in den letzten 70 Jahren gelungen, die Verbreitung von Atomwaffen zu beschränken. Zu den fünf ursprünglichen Atommächten USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China sind nur vier weitere dazugekommen: Israel, Pakistan, Indien und Nordkorea. Die ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine, Kasachstan und Belarus haben ihre Waffen nach Russland gebracht. Südafrika gab mit dem Ende des Apartheidsystems seine Bomben auf. Zuletzt beschränkte der Iran im Wiener Abkommen sein Nuklearprogramm. Aber nach wie vor werden 16 000 nukleare Sprengköpfe in den militärischen Arsenalen vor allem in den USA und Russland gehalten. Der Abbau der Atomwaffenpotentiale ist zum Stillstand gekommen, seit sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen verschlechtern. Statt alte Bomben zu zerstören, modernisieren die Atommächte ihre Arsenale. 70 Jahre nach Hiroshima ist eines der frühesten Ziele der Friedensbewegung in Erinnerung zu rufen: eine atomwaffenfreie Welt. Niemand sage, dabei handelt es sich um eine Illusion. Auch Giftgas und chemische Waffen wurden durch Abkommen verbannt. Rivalitäten zwischen Staaten wird es immer geben. Dass sie nicht zu menschheitsgefährdender nuklearer Bewaffnung führen müssen, selbst wenn diese technisch möglich wäre, ist nicht zuletzt die Grundidee hinter dem Atomdeal der Großmächte mit dem Iran.