Der populäre Ex-Bürgermeister von New York Michael Bloomberg, ein republikanischer Freigeist, macht Wahlkampf für Hillary Clinton. Vor den Delegierten der Demokraten geißelte er Donald Trump als gefährlichen Scharlatan. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney und die Familie Bush setzen ebenfalls auf die Niederlage des republikanischen Kandidaten. Die in den Vorwahlen erfolgreiche demokratische Bewerberin steht als mögliche erste Präsidentin der USA für das Durchbrechen der gläsernen Decke, die Frauen in patriarchalischen Gesellschaften den Weg ganz nach oben verwehrt. Ihr Sieg wäre historisch, vergleichbar mit dem Einzug Obamas vor acht Jahren als erstem Schwarzen in das Weiße Haus.
Drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen müsste Hillary Clinton eigentlich die große Favoritin sein. Aber die Vorbehalte in der Öffentlichkeit wollen nicht schwinden. Die ehemalige First Lady ist so unbeliebt wie wenige Präsidentschaftsanwärter vor ihr. Unglaubliche 70 Prozent der Wähler halten sie für unehrlich. Immerhin zeigen die Meinungsumfragen nach dem gelungenen Demokratischen Wahlparteitag erstmals seit längerem wieder einen Vorsprung vor dem Rechtspopulisten Donald Trump.
Seit 25 Jahren steht Hillary Clinton für das linksliberale Establishment, in dem sie Karriere gemacht hat. Auf ihrem langen Weg war sie wenig geliebte Gouverneursgattin in Arkansas, umstrittene First Lady, erfolgreiche Senatorin und hyperaktive Außenministerin. Zum Hass der Konservativen, für die die engagierte Feministin stets eine Feindfigur war, kommt das Misstrauen der verbitterten weißen Arbeiterschaft gegen eine klassische Repräsentantin der Eliten. Der autoritäre Nationalist Donald Trump und Hillary Clinton lagen diesen Sommer wochenlang gleichauf.
Michael Moore, der kritische Filmemacher, rüttelt Amerikas Linke mit der Aufforderung auf, ein paar Mal „Präsident Donald Trump“ vor sich her zu sagen, um sich die Dramatik der Lage zu vergegenwärtigen.
Hillary Clintons außenpolitische Achillesferse ist ihr Ja zum Irakkrieg. 2002 hat sie für eine Resolution gestimmt, die der Bush-Administration grünes Licht für militärische Gewalt gegen Saddam Hussein gab. Amerika stand unter dem Schock des 11.September 2001. In der aufgepeitschten patriotischen Stimmung widersetzte sich nur eine Minderheit der Demokraten dem Kriegskurs. Barack Obama gehörte zu den Kriegsgegnern, ebenso der verstorbene Edward Kennedy. Hillary Clinton hat ihre Entscheidung später bedauert.
Anders als nach dem Vietnamkrieg hat es in den USA eine ernsthafte Untersuchung nie gegeben, wie es zu dem größten außenpolitischen Debakel der letzten Jahrzehnte gekommen ist. Nur Großbritannien, der engste Verbündete, versucht mit Verspätung reinen Tisch zu machen. Die Veröffentlichung des unabhängigen Irak-Berichts von John Chilcot ist durch das Brexit-Chaos in den Hintergrund gedrängt worden. Zu Unrecht, denn mit den Folgen der unverantwortlichen Kriegsführung von George W.Bush und Tony Blair ist heute ganz Europa konfrontiert.
Die Expertengruppe um Chilcot, alles hochrangige Experten aus den obersten Etagen der britischen Regierung, prüft in 12 dicken Bänden die Entscheidungsprozesse um die Invasion. Das Urteil ist verheerend. Entgegen den Behauptungen der Regierung Blair stellte der Irak keine Bedrohung für Großbritannien dar, es waren bei weitem nicht alle friedlichen Mittel zur Streitbeilegung ausgeschöpft und eine ernsthafte Planung für die Zeit nach dem Sturz des Baath-Regimes fehlte völlig.
So gut wie alle Akteure kommen extrem schlecht weg. Der Chef des Auslandsgeheimdienstes MI6, der die politisch gewünschten Falschinformationen über Massenvernichtungswaffen weiterreichte, die militärische Führung, die ohne langfristige Planung in den Krieg zog, und natürlich Blair selbst, der sich Bushs Line extrem früh und nahezu fanatisch anschloss.
Die Helden der Irakkriegsgeschichte sind Hunderttausende, die auf der ganzen Welt auf die Straße gegangen sind, weil sie den Beteuerungen der Kriegstreiber nicht glaubten. Nicht Widerspruchsgeister und Dissidenten sind in turbulenten Zeiten die größte Gefahr, sondern die Jasager, wenn eine Führung ungeprüft gegen Außenfeinde mobilisiert, muss die wichtigste Schlussfolgerung sein.
Paradoxerweise muss Hillary Clinton 2016 sowohl Verteidiger der imperialen Rolle Amerikas als auch Kritiker hinter sich vereinen, um die Welt vor der Katastrophe einer Präsidentschaft des nationalistischen Demagogen Donald Trump zu bewahren.