Die chinesischen Behörden verschärfen ihre Gangart gegen Menschenrechtsaktivisten. Wobei jetzt auch Anwälte betroffen sind, die bisher bereit waren Dissidenten vor Gericht als Verteidiger zur Seite zu stehen. Im Verlauf einer breit angelegten Razzia waren im Sommer 2015 mehrere hundert Anwälte festgenommen worden. Ein gutes Dutzend sind noch heute in Haft. In einer ganzen Serie von Urteilen hat heute ein Gericht den ehemaligen Anwalt des weltbekannten Künstlers Ai Wei Wei zu einer langen Haftstrafe verurteilt.
Zu sieben Jahren Gefängnis ist der bekannte Strafverteidiger Zhou Shifeng heute verurteilt worden. Es ist der vierte Schuldspruch in einer ganzen Serie von Strafverfahren gegen Mitarbeiter von Anwaltskanzleien, die diese Woche in der nordchinesischen Stadt Tianjin über die Bühne gehen. Das inkriminierte Delikt: Untergrabung der Staatsgewalt. Zhou bekannte sich schuldig, genauso wie seine Mitarbeiter zuvor.
Die Pekinger Kanzlei, die er geleitet hat, ist vor einem Jahr geschlossen worden.
Die Menschenrechtskanzlei von Zhou Shifeng hatte einst Ai Wie Wei verteidigt, als der Künstler unter Hausarrest stand. Vor Jahren vertrat Zhou die Opfer eines großen Milch-Skandals, als tausende Babys an unreinem Milchpulver erkrankt sind. Auch Aktivistinnen, die durch feministische Straßenproteste den Unwillen der Behörden erregt haben, fanden juristischen Beistand.
Die Anklage behauptet, dass die Anwälte bei Verfahren öffentliche Proteste vor den Gerichtsgebäuden organisiert haben. Im Internet hätten zur Solidarität mit ihren Schützlingen aufgerufen haben. Das Ganze sei ein wohldurchdachter Plan gewesen, um das sozialistische System zu stürzen, liest man in den offiziellen Medien. Vorbild seien die farbigen Revolutionen der arabischen Welt und Osteuropas gewesen.
Hu Shigen, einer der Angeklagten, gilt als Konterrevolutionär, weil er sich früher für Opfer des Tienanmen-Massakers eingesetzt hat. In den offiziellen Medien wird er als Führer einer illegalen Untergrundorganisation bezeichnet, die vom feindlichen Ausland unterstützt wurde. Seine angeblichen Verbrechen gab er alle zu, siebeneinhalb Jahre Gefängnis war die Strafe.
Selbstbezichtigungen, die dann Millionen mal im Fernsehen oder im Internet zu sehen sind, gehören zum Ritual der staatlichen Repression in China.
Festgenommen wurde in den letzten Monaten auch Vertreter unabhängiger Arbeiterorganisationen in Südchina, die versucht haben organisatorisches Know How weiterzugeben. Einer der verhafteten Aktivisten namens Lu Yuyu hat nichts anderes getan, als die im chinesischen Internet vorhandenen Informationen über Streiks und Demonstrationen zu sammeln, bevor sie von der Zensur gelöscht werden. Im Jahr 2015 kam er auf 30 000 unabhängige Massenaktionen in China. Jetzt wird er beschuldigt dass er verbotenerweise Streitigkeiten provoziert und Unruhe ausgelöst habe, wie der in solchen Fällen angewandte Gummiparagraf lautet.
Zugesperrt wurde in Peking diesen Monat die letzte chinesische Zeitschrift, die entgegen der offiziellen Linie offen für einen demokratischen Sozialismus eingetreten ist. Beim gegenwärtigen harten Kurs der Führung besteht für die Regierung kein Bedarf an grundsätzlichen Diskussionen über Demokratie und Menschenrechte.