Überraschung bei den US-Midterms

Die Kongresswahlen der USA zeigen dieser Tage die Widerstandskraft der Demokratie. Ich habe schon lange nicht mehr so aufgemöbelte Mails von linken und liberalen amerikanischen Freunden bekommen wie diese Woche. „Kelly wins in AZ; Cortez-Masto wins in NV and Warnock wins the runoff on Dec. 6 in GA” schreibt mir untypisch optimistisch ein gut vernetzter Kalifornier, der sonst häufig an seinem Land verzweifelt. Von Arizona, Nevada und Georgia hängt es ab, ob Joe Bidens Demokraten die Mehrheit im Senat in Washington DC behalten.  

 Noch wird ausgezählt. Für Arizona geben die Medien dem Demokraten Mark Kelly, einem ehemaligen Astronauten, gute Chancen. Auch in Las Vegas, das vor sechs Jahren mit Catherine Cortez-Masto die einzige Latina in den US-Senat geschickt hat,  wird noch geprüft und gerechnet. Amerikanische Innenpolitik-Gurus  sehen sie allerdings gegen den lokalen Trump-Fan Adam Laxat, gut geölt mit viel Geld aus dem rechtsrechten Spendentop, im Nachteil.

  Es gibt 100 Senatoren in Washington DC. Die Demokraten brauchen 50 Sitze damit Vizepräsidentin Kamala Harris das Dirimierungsrecht hat und die Partei des Präsidenten als Mehrheitsfraktion die Tagesordnung bestimmt. Vor der endgültigen Auszählung in den drei offenen Bundesstaaten steht es 48:49 für die Republikaner. In Georgia wird es in vier Wochen eine Stichwahl geben. Senator Raphael Warnock  ist ein baptistischer Pastor in der Tradition schwarzer Bürgerrechtskämpfer der Südstaaten. Er hat bereits vor zwei Jahren durch die Mobilisierung auf der Linken gewonnen. Das Kunststück traut man ihm auch 2022 zu.

  Um zu verstehen, warum derart knappe Ergebnisse im linksliberalen Amerika Jubel auslösen, muss man die Dynamik bei Zwischenwahlen kennen. Die Midterms haben  in  Regierungsjahren der Demokraten  regelmäßig einen massiven konservativen Backclash gebracht. Diesmal war das anders. Das Repräsentantenhaus wird zwar wahrscheinlicha eine republikanische Mehrheit haben. Aber die ist so knapp, dass von der befürchteten republikanischen Welle ein mäßig beeindruckendes Säuseln übrig bleibt.

  Ein Boost für die  Demokratie als solches ist dieser Ausgang wegen der Vorgänge  im Vorfeld. Donald Trump hatte bei den republikanischen Vorwahlen mit Brachialgewalt sogenannte MAGA Kandidaten durchgeboxt. MAGA steht für Make America Great Again, Trumps Wahlkampfslogan. Der Litmustest für ihn war das Bekenntnis zur Lüge von den gestohlenen Präsidentschaftswahlen 2020 unter dem Slogan „Stop the Steal“. Rechtsextreme Außenseiter  wurden auch von Peter Thiel, dem libertären Milliardär und Arbeitsgeber für Sebastian Kurz, gepusht. Viele „Stop the Steal“-Propagandisten  haben sich geweigert zu versprechen, dass sie eine Niederlage akzeptieren werden. Dazu kam die Gefahr, dass nach der Aufkündigung von Roe vs Wade und das  Recht auf Abtreibung durch den Supreme Court Abtreibungsverbote in konservativen Bundesstaaten folgen könnten. Am Wahltag wurden rechtsrechte Kandidaten reihenweise geschlagen.

„Stop the Steal“ ist die Devise zum autoritären Umbau Amerikas auf einer Welle des Hasses verängstigter Weißer gegen die multikulturelle Vielfalt des Landes. Abtreibungsverbote sind ist das Instrument der christlicher Fundis Christen zum Roll Back der Selbstbestimmung der Frauen und sexueller Minderheiten. Die Demokraten haben diese Themen ins Zentrum ihres Wahlkampfes gestellt und den konservativen Ansturm damit erfolgreich gebremst.

  Jetzt tobt innerhalb der republikanischen Partei der Kampf um die Präsidentschaftswahlen 2024. Mit Ron De Santis, dem erfolgreichen Gouverneur von Florida, hat das konservative Establishment einen potentiellen Gegenkandidaten zu Trump. Der Ex-Präsident tobt und schießt bereits aus allen Rohren gegen DeSantis.

  Die Polarisierung zwischen erzkonservativen Republikanern und linksliberalen Demokraten um die Zukunft Amerikas geht weiter. Aber die Kontrolle der großen konservativen Partei der USA durch die rechtsextreme Trump-Fraktion ist erschüttert. Ein guter Grund für Zuversicht bei der Verteidigung der umkämpfen liberalen Demokratie nicht nur in Amerika.

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