Japan: Hürden für Comeback der Atomkraft , MiJ, 17.10.2016

 

Mehr als sechs Jahre ist es her, dass nördlich von Tokio ein Erdbeben und ein Tsunami große Teile der Provinz  Fukushima zerstört haben. Im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi kam es zu einer Kernschmelze. Wie sehr die Situation seither unter Kontrolle gebracht werden konnte, ist  umstritten.  Die Betreibergesellschaft Tepco meldet, dass die Grundwasserzufuhr dank einer unterirdischen Eisawand rund um die Reaktorruine gestoppt werden konnte, was als Erfolg gilt. Der von der Regierung gewünschte Neustart der Atomenergie in Japan stößt aber auf immer mehr Hürden. Letztes Wochenende war bei einer Regionalwahl im Norden Tokios ein AKW-Gegner erfolgreich, der das Aufsperren des größten Atomkraftwerks Japans verhindern will. Die Aktien der Betreibergesellschaft Tepco befinden sich seither im Sinkflug.

Jede Woche versammeln sich in Tokio Demonstranten vor dem Sitz der Kyushu Electric Power Company, die dabei ist, ihre Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen.

Es kommen weniger Leute zu Anti-AKW-Kundgebungen als früher, erzählt man uns. Aber in Umfragen sind noch immer 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung gegen den Neustart der Atomenergie, argumentiert Masahide Kimura von der japanischen Anti-AKW-Bewegung

Die nächsten Monate werden entscheidend sein, ob weitere Atomkraftwerke hochgefahren werden können.   Premierminister Abe sagt zwar, dass Fukushima unter Kontrolle ist. Aber vieles ist unklar.  Das Abwracken der Reaktorruine hat noch nicht einmal begonnen.

Mehr als sechs Jahre nach dem Unglück von Fukushima steht die japanische Bevölkerung  der Atomkraft unverändert skeptisch gegenüber. Aber die Regierung des konservative Premierministers Shinzo Abe will die meisten der 52 Atomreaktoren wieder hochfahren, die alle nach dem Unglück von Fukushima gestoppt wurden. Bisher konnten nur 3 Reaktoren in Betrieb genommen werden.  Die drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen und der Widerstand der Lokalpolitiker führen dazu, dass sich das Comeback der Atomkraft in Japan verzögert, argumentiert der Nuklearexperte der Meji Universität Tadahiro Katsuta.

In Japan ist das Risiko von Naturkatastrophen um vieles größer als anderswo. Die ursprünglichen Vorkehrungen der Betreiber waren völlig ungenügend. Seit Fukushima wissen wir, dass wir uns  für Tsunamis und Erdbeben rüsten müssen. Das erfordert Umbauten, kostet Geld und Zeit, urteilt der Experte.

Die Unsicherheit rund um die Reaktorruine des Kraftwerks Fukushima Daishi ist der Kern des Problems.  Im gut bewachte Hauptquartier der Betreibergesellscahft TEPCO in Tokio beschreibt Konzernsprecher Shinichi Nakakuki den Stand der Stabilisierungsschritte.  Abgewrackt kann die Anlage nach Einschätzung von Tepco erst in 30 oder 40 Jahren werden.

Von den Reaktoren 1-4 geht keine unmittelbare Gefahr mehr aus. Die Temperatur im Inneren ist stabil, sie beträgt  zwischen 20 und 30 Grad Celsius. Im Vordergrund stehen für uns zur Zeit die  Bemühungen  mit dem vielen verseuchten Wasser fertig werden.

Jahrelang ist über die Risse im Gebäude Grundwasser  in die  Reaktoren eingedrungen. Das Wasser hat sich mit dem Kühlwasser vermischt, kontaminiert und muss abgepumpt werden.

Rund um die Reaktorruine stehen 1000 riesige Tanks mit fast einer Millionen Tonnen verseuchtem Wasser.

Damit durch die Risse nicht immer mehr Wasser dazukommt, haben die Ingenieure  mit Kühlrohren eine komplizierte unterirdische Eiswand errichtet, die 30 Meter tief und eineinhalb Kilometer lang ist. Die  Eiswand soll das weitere Eindringen von Grundwasser in das verseuchte Bauwerk verhindern. An die Entsorgung des Nuklearmaterials selbst ist noch nicht zu denken. Bisher ist es nur gelungen eigens dafür konstruierte Roboter in das Zentrum der Unglücksreaktoren zu schicken.

Was mit dem Wasser in den  Tanks geschehen soll ist offen.   Tepco sagt, das Wasser wurde dekontaminiert und könnte ins Meer geschleust werden. Der japanische Fischereiverband, der um den Ruf japanischer Fischprodukte besorgt ist, hat das bisher verhindert.

Tepcosprecher Shinichi Nakakuki klingt etwas resigniert.

Wegen des Unfalls von Fukushima Daichi ist die Sorge gegenüber der Atomkraft groß. Es ist klar, Tepco hat diesen großen Unfall verursacht, daher ist die öffentliche Meinung uns gegenüber sehr streng.

Der Energieriese Tepco versorgt ein Drittel der japanischen Haushalte, ist aber durch die gigantischen Kosten der Aufräumungsarbeiten  an der Grenze seiner Belastbarkeit gelangt. Der Firmenchef warnt vor einer Pleite des Konzerns, wenn  die Regierung nicht einen größeren Teil der Lasten  übernimmt als bisher.