Der lange Schatten des Jair Bolsonaro

Die Verwüstungen, die ein rechtsradikaler Mob zu Jahresbeginn an Präsidentschaftssitz, Parlament und Oberstem Gericht in Brasilia  angerichtet hat, sind notdürftig beseitigt. Präsident Inacio Lula da Silva ist in die Hauptstadt zurückgekehrt. Der Präsident hat demonstrativ die erste Indigenenvertreterin in die Regierung aufgenommen.  Die Schwester  einer ermordeten Amazonas-Aktivistin wurde Ministerin für die Gleichstellung der Volksgruppen. Er signalisiert, dass die  Drohung der extremen Rechten ins Leere geht.

 Lula verlangt ein hartes Vorgehen gegen Polizisten, die den gewalttätigen Demonstranten die Tore  geöffnet haben. Es kann doch nicht sein, dass vor meinem Büro Wachleute Dienst versehen, die auf mich schießen könnten, wundert er sich. Die Busreisen für die Randalierer in die Hauptstadt waren von Agrarlobbyisten finanziert worden. Ihr Ziel war der Sturz des Präsidenten und seiner Regierung. Es war eine versuchte Konterrevolution, genauso wie der Sturm auf das Kapitol in Washington DC vor 2 Jahren.

 Der Bolsonarismo wird in Brasilien nicht verschwinden, so wenig wie der Trumpismus in den USA. Der Economist zitiert  Meinungsumfragen, wonach 18 Prozent der Bevölkerung die Aufständischen unterstützen. Erschreckende 37 Prozent wünschen sich einen Militärputsch gegen Lula.

 Die Höchstrichter Brasiliens kämpfen für den Rechtsstaat. Wegen Anstiftung zum Umsturz ermitteln sie gegen Ex-Präsident Bolsonaro, weil der  den Wahlsieg Lulas anzweifelt und den Wahlvorgang delegitimiert.

   Der Schock über den versuchten Umsturz sitzt in ganz Lateinamerika tief. In vielen Ländern regieren linke und linkspopulistische Parteien. Sie sind durch Wahlen an die Macht gekommen, stehen aber in erbittertem Streit mit den  herrschenden Klassen. Jeder Fehltritt kann die Hoffnungen auf einen Staat zerstören, der das Leben  der Armen verbessert.

  Einen katastrophalen Pendelschlag erlebt zur Zeit Peru. Wenig bemerkt von der Weltöffentlichkeit schießen in den armen Indioregionen im Süden Militärs und Polizei auf Demonstranten. Es gibt Dutzende Todesopfer. Die Protestbewegung will Neuwahlen und die Freilassung des inhaftierten linken Präsidenten Pedro Castillo erzwingen. Die Repression ist mit der Situation im Iran vergleichbar.

 Polizeiorgane und Militärs in Peru fallen in den bürgerkriegsähnlichen Modus der Vergangenheit zurück, als die maoistische Guerillabewegung des Leuchtender Pfad, Sendero Luminoso, bekämpft wurde. In der Hauptstadt Lima herrscht politisches Chaos. Der abgesetzte Präsident Pedro Castillo, ein ehemaliger Dorfschullehrer, ist der Held der Armen. Nach einem knappen Wahlsieg 2021  hatte er es nicht geschafft hatte eine funktionierende Regierung zu bilden. Im Dezember letzten Jahres wollte er verfassungswidrig das Parlament auflösen. Die konservative Mehrheit im Parlament setzte Vizepräsidentin Dina Boluarte an seine Stelle.

  Seit dem Wechsel im Präsidentenamt eskaliert in Lima der Machtkampf. Jeden Tag steigt die Zahl der Toten. Die Verantwortlichen  decken die Gewalt der Polizeiorgane, was die Oberstaatsanwältin veranlasst gegen die amtierende Präsidentin  mit einer wohl übertriebenen Ermittlung wegen Völkermord und schwerer Körperverletzung vor zu gehen.  Die Hoffnung auf einen Weg der sozialen Reformen ist zerstört.

   Auch die brasilianische Demokratie hat gefährliche Turbulenzen durchgestanden. Lula war nach zwei Amtszeiten fast zwei Jahre im Gefängnis gesessen. Das Urteil wegen Korruption ist inzwischen  aufgeboben worden. Seine Nachfolgerin Dilma Rousseff wurde  wegen absurder Vorwürfe der finanziellen Misswirtschaft des Amtes enthoben, es begann die desaströse Präsidentschaft des Trump-Nachahmers Bolsonaro. Die Polarisierung schwebt wie ein Damoklesschwert über der dritten Amtszeit von Lula da Silva. Seine fanatisierten Gegner sind überzeugt, dass er die Wahlen in Wirklichkeit verloren hat und nur an der Macht ist, weil er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Das ist wörtlich gemeint.

 In Lateinamerika werden Erinnerungen an den Sturz Salvador Allendes wach. Gegen den sozialistischen Präsidenten Chiles hat das Militär unter Augusto Pinochet geputscht. Es folgten Jahrzehnte der düsteren Militärherrschaft. 2023 halten sich die Generäle in Lateinamerika zurück. Ein Grund ist die veränderte Haltung der USA.  Henry Kissinger hatte unter Richard Nixon ungeniert  den Putsch gegen Allende vorbereitet. Joe Biden musste vor zwei Jahren selbst den Sturm der Trump Anhänger auf das Kapitol erleben. Amerikanische und brasilianische Kongressabgeordnete solidarisieren sich gegen rechte Umsturzversuche. Die Demokratie ist  in Nordamerika und Südamerika unter Beschuss. Eine Konstellation, die auch Vorteile hat.

ZUSATZINFOS

Umkämpfte Präsidenten

 Lula da Silva war 2003-2011 Präsident Brasiliens. Er ist als Straßenkind aufgewachsen und war als Gewerkschaftsführer gegen die regierenden Militärs aktiv. Im Oktober wurde er mit 50,90 Prozent in eine dritte Amtszeit gewählt.

In Peru gab es in den letzten 5 Jahren 6 Präsidenten. Der letzte gewählte Präsident Pedro Castillo hatte 2021  50,125 Prozent der Stimmen erreich. Er wurde Ende letzten Jahres wegen Rebellion zu 18 Monaten Haft verurteilt.

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