Seit gut dreißig Jahren staunt die Welt über das halsbrecherische Tempo, mit dem sich China entwickelt. Die Kombination von Kapitalismus und Kommunistischer Partei hat hunderte Millionen Bürger aus bitterer Armut befreit und zu Konsumenten gemacht. Kontinuierlich pilgern seither westliche Regierungschefs nach Peking, um Geschäftsleuten Zugang zum wichtigsten Wachstumsmarkt der Welt zu verschaffen. Mit ihrem Chinabesuch reiht sich die österreichische Staatsspitze in die Gruppe der Lobbyisten für heimische Exporteure und Investoren ein.
Aber der Schein der Normalität trügt. Der Handelskrieg, den Donald Trump vom Zaun bricht, verändert das wirtschaftliche und politische Machtgefüge der Welt. Trump will chinesische Importe in die USA durch Zölle in Milliardenhöhe erschweren. Das Weiße Haus überlegt, den Zugang chinesischer Studenten an amerikanische Universitäten zu begrenzen und die Übernahme von HighTech-Firmen durch chinesische Investoren zu blockieren. Die Phase geht zu Ende, in der Amerika den Aufstieg Chinas begrüßt hat.
Mit seinem antichinesischen Vorstoß knüpft der US-Präsident an seine Wahlkampfdemagogie an. China stiehlt unsere Jobs, China vergewaltigt unsere Unternehmen, hatte er unzählige Male gepredigt. Mit den Gebrechen der amerikanischen Wirtschaft hat China allerdings wenig zu tun, die US-Konjunktur befindet sich in Hochform. Die USA wollen den historischen Aufstieg eines Konkurrenten bremsen.
Noch Barack Obama hat gehofft durch ein wirtschaftspolitisches Bündnis der asiatischen und amerikanischen Pazifikstaaten ein Regelwerk zu schaffen, das den Einfluss der Volksrepublik zurückdrängt. Der Nationalist Trump verwarf das Transpazifische Abkommen TPP und setzt auf eine protektionistische Kanonade. Logisch, dass Chinas Präsident Xi Jinping seinerseits eine Liste mit Strafzöllen gegen US-Produkte erstellen ließ.
Keine der angekündigten Maßnahmen sind umgesetzt. Bis Mai wird verhandelt. Möglicherweise fährt Trump seine Drohkulisse wieder herunter. Das republikanische Establishment ist gespalten. Aber antichinesische Demagogie ist populär in den USA. Trump glaubt, dass ein Handelskrieg leichter zu gewinnen ist, als ein echter Krieg. In Wirklichkeit werden viele Jobs verloren gehen, bis sich die Kontrahenten in einem solchen Konflikt wieder arrangieren. Häufig sind Handelskriege der Boden für militärische Konflikte.
Längst geht es in dem Streit nicht nur um die Konkurrenz. chinesischer Billigexporte. Die USA beunruhigt, dass China in zentralen Technologiebereichen zum weltweiten Marktführer werden will. Westliche Firmen, die in China investieren, sind gezwungen ihr technologisches Know How mit lokalen Partnern zu teilen. Dazu kommt die amerikanische Beschuldigung der Industriespionage in Richtung China.
Der Vorwurf richtet sich an den chinesischen Staat, der seine lenkende Funktion bewahrt hat. Die Internetzensur hält die amerikanischen Marktführer von China fern. Dafür florieren chinesischen Pendants, die in der Konkurrenz mit Facebook, Google und Co keine Chance gehabt hätten. Erstmals sind chinesische Unternehmen dabei, westliche Entwicklungsstufen zu überspringen. Der chinesische Onlinedienst WeChat ist besser als Facebook und Twitter. Mit WeChat am Handy kann man Geldbeträge überweisen und in Geschäften bargeldlos bezahlen. Dass die Behörden auf alle Daten Zugriff haben, stört die meisten Nutzer nicht. Der Smartphone-Hersteller Huawei, ein technologisches Powerhaus im südchinesischen Shenzhen, meldet inzwischen mehr Patente an als der deutsche Großkonzern Siemens.
Noch kommen die meisten Innovationen aus den USA. Aber China holt auf. Bei künstlicher Intelligenz und Big Data sind chinesische Firmen ganz vorne. Trump behauptet, der Diebstahl geistigen Eigentums sei der wesentliche Grund für die erfolgreiche Aufholjagd. Dagegen erinnert der Wirtschaftschef der Frankfurter Allgemeine Zeitung, Holger Steltzner, dass es historisch gesehen normal ist, wenn Newcomer die fortgeschrittene Technik anderer kopieren. Amerika hat Ende des 19.Jahrhunderts gegenüber Europa ähnlich agiert. Kritisch wird es, wenn sich die etablierten Mächte durch Überholmanöver der Herausforderer gefährdet sehen.
Im Wettbewerb zwischen China und den USA ist dieser gefährliche Punkt erreicht. Die Volksrepublik soll nach dem Willen des starken Mannes Xi Jinping in ein paar Jahrzehnten die technologische Führungsmacht des Planeten sein. Die von der Kommunistischen Partei Chinas geprägte autoritäre Kultur würde zum internationalen Standard. Eine Konkurrenzsituation mit den USA ist geschaffen, die für die Weltpolitik neu. Der Handelskrieg, den Trump gegen China begonnen hat, ist der erste Zug einer Partie, die erst am Anfang steht.