Chinas neue Stellung in der Welt, ZiB 24, 2.6.2017

Rafreider Roman (ORF) Bei mir im Studio ist unser China-Korrespondent Raimund Löw, direkt aus dem Smog von Peking zu Besuch in Wien. Schönen guten Abend! Danke… Löw Raimund (ORF) Guten Abend! Rafreider Roman (ORF) …dass Du zu uns gekommen bist noch zu später Stunde. China rückt ins Scheinwerferlicht. Ist das Reich der Mitte auf dem Weg, den USA tatsächlich den Rang abzulaufen als neue Supermacht? Löw Raimund (ORF)

China hat massiv zugelegt in der Weltpolitik in den letzten fünf Jahren, in    den letzten fünf bis zehn Jahren. Besonders der mächtige chinesische    Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping sagt, das ist ihm ein großes    Anliegen. Das ist eine Kehrwende gegenüber früher: Der große Reformer Deng    Xiaoping hat noch geraten, China soll nach außen vorsichtig auftreten,    nicht zu laut auftreten, damit man nicht sieht, wie stark es im Inneres    geworden ist. Xi Jinping sieht das anders – und tatsächlich: In all den    Bereichen, wo sich unter Donald Trump zurückziehen, sich nicht mehr um den    Rest der Welt kümmern, versucht China stärkere Präsenz zu zeigen. Eine    Konkurrenz für die USA als globale Weltmacht ist China noch lange nicht.    Wir sind aber in einer multipolaren Welt, in der es nicht eine oder zwei    Ordnungsmächte gibt, sondern viele, die das gerne sein möchten. Da gibt es    viele Veränderungen und da geht es oft auch ziemlich chaotisch zu.

Rafreider Roman (ORF) Aber wie jetzt ist dieses Bekenntnis – das war ja nicht immer so – dieses Bekenntnis von China zum Klimaabkommen tatsächlich zu nehmen? Die kriegen ja nicht einmal ihren eigenen Smog in den Griff. Löw Raimund (ORF)

Ja, aber das ist ein großes politisches Problem für die Führung. Die    aufsteigenden Mittelschichten, die in den Städten leben, die sehen den    Smog, überhaupt die Umweltsituation als riesiges Problem an. Da muss die    Führung reagieren. Und das Engagement für den Klimaschutz, dass es nicht    immer gegeben hat – früher hat man gesagt, „das ist ein Hobby der Europäer,    das geht uns als Entwicklungsland eigentlich nichts an“ – das ist für die    Führung ein Zeichen, „wir nehmen das ernst, wir nehmen auch Eure Anliegen    als Stadtbewohner, die gerne in einer Situation leben möchten, wo sie nicht    jeden dritten Tag das Kind aus der Schule nehmen müssen oder Probleme    haben, draußen zu gehen“. Trotzdem, eine Frage, die mir oft gestellt wird:    Warum regen sich die Bürger in China nicht mehr auf über die    Umweltsituation? Ich glaube einerseits, es wird ein bisschen von außen die    Smog-Situation überschätzt. Es gibt natürlich viele schlechte Smog-Tage,    aber es gibt auch schöne Tage. Und dann haben die Menschen schon in    Erinnerung: Der Smog ist gekommen gleichzeitig mit einer massiven    Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen der Menschen. Sie wissen, da    ist ein großes Problem, aber sie wissen auch, das Problem kommt daher, dass in den letzten 30 Jahren sich für hunderte Millionen die Lebensbedingungen    verbessert haben. Und das gibt ihnen Optimismus, dass es auch möglich sein    wird, dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Rafreider Roman (ORF) Also der Aufstieg China, den wir da haben, aber die politische Macht, darf man auch nicht vergessen, ist ja nach wie vor in den Händen dieser Kommunistischen Partei, jene KP – kannte man zuletzt aus der Sowjetzeit im Kalten Krieg. Sind die partnerschaftsfähig? Löw Raimund (ORF)

Das ist ein Problem für die chinesische Führung, das wahrscheinlich von    China selbst unterschätzt wird. Die Menschen in der Welt wissen, China ist    ein Land, wo Menschenrechtsanwälte viele Jahre ins Gefängnis kommen, wo man    Zensur im Internet hat, Zensur im Fernsehen hat. Ich sage Ihnen, im    ORF-Büro in Peking sehen wir BBC: Jedes Mal, wenn der Dalai Lama dort    auftaucht, wird der Bildschirm schwarz. Da sitzen hunderte, tausende Leute,    die wissen, irgendwann einmal schalten sie den Hebel um. Das ist etwas, das    es schwer macht, dem Land, zu einem Sympathieträger zu werden. China wird    respektiert, viele bewundern in Asien, auch in anderen Teilen der Welt, den    wirtschaftlichen Aufstieg. Aber wirklich ein Ideal, wie man das früher von    Amerika gesagt hat – Amerika steht für die Freiheit, für die Demokratie –    so für ein solches Ideal zu stehen, da tut sich China schwer und das hängt    mit der Situation des Ein-Parteien-Systems, der Diktatur einer Kaste in    diesem riesigen, vielfältigen Land zusammen.

Rafreider Roman (ORF) Ist noch ein bisschen ein steiniger Weg. Vielen Dank, Raimund Löw, für diese Einschätzungen. Danke schön für den Besuch im Studio, danke!

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