Während die USA durch den Präsidentschaftswechsel gelähmt sind, punktet in Südostasien China. Gleich drei Staaten, die als amerikanische Verbündete gelten, die Philippinen, Thailand und Malaysia, nähern sich Peking an. In asiatischen Medien ist von einem Dominoeffekt die Rede, weil die USA gegenüber dem Newcomer China Boden verlieren. Amerika ist fest in der Region verankert. Aber die von Barack Obama und Hillary Clinton geplante Wende nach Asien, um den Aufstieg Chinas zu bremsen, wackelt.
Am spektakulärsten ist der Kurswechsel in den Philippinen. Weil aus Washington Kritik an den vielen Toten des Antidrogenkrieges kam, beschimpfte der populistische Präsident Duterte Obama als Hurensohn. Im Oktober verkündete er von Peking aus die Scheidung von den USA. Dutertes Vorgänger Aquino hatte philippinische Kasernen für amerikanische Soldaten geöffnet. US-Militärberater sind beim Kampf gegen islamistische Rebellen beteiligt. Es gab gemeinsame Manöver der Marine. Duterte will die Zusammenarbeit stoppen.
Im Streit um das Südchinesische Meer waren die Philippinen vor den Internationalen Seegerichtshof in Den Haag gezogen. Ganz im Sinn der USA, die gegenüber Chinas Souveränitätsansprüchen auf freie Durchfahrt durch internationale Gewässer pochen. Die Richter gaben Manila Recht. Aber Duterte verlässt jetzt die gemeinsame Linie der Anrainerstaate das Gerichtsurteil umzusetzen und akzeptiert bilaterale Verhandlungen mit China. Peking wollte das schon immer. Im Gegenzug erlaubt die chinesische Küstenwache philippinische Fischerboote in das umstrittene Gebiet des Scarborough Riffs 220 Kilometer vor der Küste. In Peking hat Duterte Investitionsprojekte für Straßen, Häfen und Zugsverbindungen unterschrieben. Bis zur Umsetzung ist es noch ein langer Weg. Aber Chinas Führung signalisiert, dass Distanz zu Amerika viele Vorteile bringt.
Auch Malaysia schert aus der Front gegen China im Streit um das Südchinesische Meer aus. Der malaysische Premierminister Najib Razak akzeptiert, so wie Duterte, bilaterale Verhandlungen, bei denen China auf Grund seiner Größe im Vorteil ist. Najib kritisiert die Einmischung der USA. Stein des Anstoßes sind Ermittlungen des US-Justizministeriums in einem gigantischen malaysischen Korruptionsfall. 3,5 Milliarden Dollar wurden von einem Staatsfonds namens 1 MDB Malaysia Development Berhard gestohlen. 700 Millionen Dollar fanden sich auf privaten Konten des Premierministers. Die US-Justiz führt ihn als Malaysian Official Number 1. Nach Aussagen Najibs handelt es sich um das Geschenk eines saudischen Prinzen. Der Prinz wurde allerdings nie gefunden. In Malaysia hat die Justiz alle Untersuchungen eingestellt. Nicht so in den USA, durch deren Banken die riesige Summen bewegt wurden. Im Westen kann sich der umstrittene Premier nicht blicken lassen. Umso größer ist der Bahnhof beim sechstätigen Staatsbesuch Najibs in Peking Anfang November. Der Premierminister revanchiert sich: Malaysia wird chinesische und nicht amerikanische Schiffe für die Küstenwaffe kaufen.
Seit in Bangkok eine Militärjunta regiert, erwärmt sich auch Thailand für China. General Prayut, der starke Mann des Landes, lässt sich von autoritären Regierungsmethoden inspirieren. Menschenrechtsaktivisten klagen, dass Dissidenten an die chinesischen Behörden übergeben werden. Touristen aus dem Reich der Mitte sind die größte Gruppe für den Fremdenverkehr. Die Geschäftsbeziehungen zu China sind wichtig in einer düsteren Wirtschaftslage. In Peking wird Thailand zu den Staaten gezählt, auf deren Verständnis China im Rahmen der Südostasiatischen Staatenvereinigung ASEAN rechnen kann.
Entspannung im Südchinesischen Meer ist positiv. Nach dem Gerichtsurteil gegen Peking bestand die Gefahr der Eskalation. Amerikanische Kriegsschiffe in von China beanspruchten Gewässern sind eine gefährliche Konstellation. Wenn die Philippinen und Malaysia als Freunde gelten, könnte Peking seine Ansprüche reduzieren. Alle Seiten müssten die Militarisierung des Südchinesischen Meeres zurückfahren.
Duterte hat trotz seiner antiamerikanischen Ausfälle bisher kein einziges Abkommen mit den USA gekündigt. Die Staaten Asiens streben gute Beziehungen zu China an, wollen aber, dass die USA ihr Engagement aufrechterhalten. Amerika befindet sich in der Defensive, soll aber gleichzeitig Faktor der Stabilität sein. Vom Verhältnis zwischen Peking und Washington wird in einer Phase der historischen Machtverschiebung zugunsten Chinas vieles abhängen, nicht nur im pazifischen Raum.