Keine Einigung, keine Personalentscheidung letzte Nacht in Brüssel: Die Staats- und Regierungschefs vertagten die Nominierung der neuen Chefin für die EU-Außenpolitik auf Ende August, ebenso die Nachfolge von Ratspräsident Herman van Rompuy. Ein Rückblick auf einen gescheiterten Anlauf.
Mittagsjournal, 17.7.2014
Widerstand gegen Mogherini
Dass es nicht glatt läuft bei der geplanten Personalbesetzung, war schon vor Beginn der Sitzung erkenntlich: Die meisten Regierungschefs betraten gestern Abend wortlos das Ratsgebäude in Brüssel. Angela Merkel meinte, sie halte es für wenig wahrscheinlich, dass wie geplant über alle wichtigen Posten entschieden wird.
Ob es sinnvoll sein kann, nur eine Position, nämlich die der Hohen Repräsentantin für die Außenpolitik , alleine zu besetzen, war der erste Streitpunkt schon in der Vorbereitungsphase des Gipfels. Ratspräsident Herman van Rompuy war dafür. Auch Italiens Matteo Renzi und Frankreichs Francois Hollande hätten die Nominierung der italienischen Außenministerin Mogherini bei diesem Gipfel befürwortet.
Klar dagegen war Angela Merkel, die alle wichtigen Positionen gemeinsam besetzt haben will. Genauso wie der Mann, der gerade bei der Bildung der nächsten EU-Kommission die Fäden in der Hand hat: der zukünftige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der seit seiner Wahl durch das Europaparlament sehr selbstbewusst agiert. Juncker verlangt jemand Erfahrenen, ein Schwergewicht, als Außenpolitikchef der EU. Ein verklausuliertes Nein zur italienischen Kandidatin, die noch kein halbes Jahr im Amt ist. Dazu kamen in aller Öffentlichkeit die Querschüsse aus dem Baltikum, die Mogherini ziemlich polemisch Kremlnähe vorwarfen.
Ratspräsident als Gegengewicht?
Aus dem Rennen scheint die italienische Sozialdemokratin allerdings auch nach der Verschiebung nicht zu sein. Für den Job der EU-Chefdiplomatin sind nach wie vor die Sozialdemokraten am Zug. Das heißt: entweder finden die Sozialdemokraten in den nächsten sechs Wochen eine andere Kandidatin, wonach es ganz und gar nicht aussieht, oder die Skeptiker werden auf andere Weise besänftigt – etwa durch ein Gegengewicht beim Ratspräsidenten. Der könnte zum Beispiel aus dem Baltikum kommen und aus der liberalen Parteienfamilie. Es muss eine wirklich von allen Seiten akzeptierte Persönlichkeit sein, wird allseits betont. Der liberale ehemalige estnische Ministerpräsident Andrus Ansip ist im Vorfeld immer wieder genannt worden, der inzwischen Europaabgeordneter ist. Aber dazu fehlt offensichtlich noch der Konsens.
Juncker demonstriert Stärke
Kompliziert wird die Lage für die Regierungschefs, weil Jean-Claude Juncker als zukünftiger Kommissionspräsident auf sein Recht pocht, mitzureden. Er will sich von den großen Staaten nicht vorschreiben lassen, wer welche Ressorts in der nächsten Kommission bekommt. Frankreich will Ex-Finanzminister Moscovici zum Währungskommissar machen. Großbritannien verlangt für den Führer des britischen Oberhauses, Lord Hill, ein wichtiges Wirtschaftsressort. Aber Juncker signalisiert, dass er David Cameron, der ihn verhindern wollte, sicher nichts schuldig ist. Gegenüber Francois Hollandes Wünschen auf einen französischen Währungskommissar kann er die deutschen Bedenken ins Treffen führen. Und stets kann er warnen, dass eine unbefriedigend zusammengesetzte Kommission im Europaparlament eine Abfuhr riskiert.
Die gestärkte Position des Kommissionspräsidenten in der Person Junckers, der sich vor allem auf das Europaparlament stützt, ist sicher eine Tatsache, mit der die Chefs erst umgehen lernen müssen.