Selbst in der Europäischen Kommission, die von ihrem ursprünglichen
Vorschlag massive Abstriche machen musste, gibt es geteilte Meinungen.
Nelli Kroes, die für Internetverbindungen zuständige Kommissarin aus den
Niederlanden, spricht von schwerem Schaden für die Zukunft. Kein Wunder:
Ihr Plan, Europa durch ein neues digitales Netz hochzurüsten, fiel dem
Rotstift zum Opfer. Kollege Laszlo Andor, der Sozialkommissar, warnt
dagegen vor Schwarzmalerei. Zukunftsprojekte, die im alten Budget gar nicht
vorhanden waren, könnten jetzt an den Start gehen. Regionalkommissar
Johannes Hahn rechnet zwar mit Verzögerungen bei Infrustrukturvorhaben,
gibt sich generell aber zufrieden. Als Sieger fühlt sich eindeutig
Großbritannien. Premierminister David Cameron hat nicht nur die angestrebte
Verkleinerung des EU-Budgets durchgesetzt sondern auch bewiesen, dass sein
Land in der EU keineswegs nur machtloser Zuseher ist. Gemischt sind
Reaktionen in Deutschland und Frankreich: Francois Hollande musste ein um
drei Prozent geschrumpftes Budget akzeptieren, die legendäre
deutsch-französische Achse ist nur mehr ein Schatten ihrer selbst. Die
große Vermittlerin war wieder einmal Angela Merkel alleine. Sie setzt auf
die geplante größere Flexibilität beim Einsatz der Budgetmittel. Wenn nicht
verwendete Finanzmittel zwischen den Töpfen leichter verschoben werden
können und auch über das Kalenderjahr hinaus in Europa bleiben, könnten die
negativen Auswirkungen der Kürzungen in Grenzen bleiben. Nahezu
enthusiastisch begrüßt wird der neue EU-Budgetrahmen in Teilen der
polnischen Öffentlichkeit. Polen konnte die Zuwendungen aus dem EU-Budget
ausbauen. Die Modernisierung der polnischen Infrastruktur kann weitergehen,
und davon wird auch der Rest der Union profitieren, so die polnische Sicht.
Die Diskussion im Europaparlament nächsten Monat könnte spannend werden.
Erst dann wird sich entscheiden, ob der Kompromiss des vergangenen
Budgetgipfels wirklich tragfähig ist.