Zypern bei EU-Außenministern, ZiB 2

Leitner Tarek (ORF)

Am Sonntag, Raimund Löw, soll also die Euro-Gruppe wieder tagen, heute tagen

einmal die EU-Außenminister, die sich zwar ein anderes Thema gestellt

haben, aber natürlich ganz intensiv über die Krise der Euro-Zone wohl

geredet haben müssen. Wie wird denn dort das Krisenmanagement, so man

überhaupt von einem sprechen kann, beurteilt?

Löw Raimund (ORF)

…<Tonstörung> Thema, aber diese politische Konfusion, die prägt überall

die Diskussionen in Europa. Nächsten Montag hätte es einen EU-Japan-Gipfel

geben sollen, der ist abgesagt worden wegen der Zypern-Krise. Was viele

hier beunruhigt ist, zu sehen, wie rasch nationalistische Reflexe

hochkommen an den verschiedenen Ecken Europas in einer solchen

Krisensituation. Man muss doch reden können über ein Geschäftsmodell

Steueroase wie Zypern, ohne dass man sich gegenseitig Vorwürfe macht. Aber

muss das so sein, dass das kleine Zypern das Gefühl hat, das große

Deutschland setzt uns das Messer an den Hals? Das ist das Fatale. Das

einzig Positive, das die Außenminister hier auch betonen, ist, dass es

keine bemerkenswerte Spekulation gibt. Der Euro ist stabil, auch die

Finanzlage der anderen Krisenstaaten ist nicht schlechter geworden. Die

Euro-Schutzschilder scheinen zu funktionieren, trotz des schlechten

Krisenmanagements.

Leitner Tarek (ORF)

Johannes Marlovits in Berlin, bevor wir zu diesen Nationalismen kommen, die

Raimund Löw jetzt gerade angesprochen hat, bleiben wir noch kurz bei der

Sache selbst. Es ist ja heute darum gegangen, wieder Spareinlagen zu

beschneiden. Es ist die Debatte gewesen, die Pensionsfonds in diesen

Rettungsfonds miteinzubeziehen. Deutschland war da immer kritisch, was

diese Pläne betrifft, insbesonders nach diesem allerersten, ja, in große

Kritik geratenen Plan, Konten ab null Euro oder ab 20.000 Euro zu

besteuern. Wie sehr kann denn da auch eine europäische Zustimmung kommen,

die ja von Deutschland sehr abhängen wird?

Marlovits Johannes (ORF)

Also zu den Vorgängen jetzt am Abend gibt es natürlich noch keine neue

offizielle Stellungnahme der deutschen Regierung. Aber wenn es jetzt um

diese höheren Spareinlagen gehen sollte, dann würde man eher damit hier

leben können, als wenn die Pensionskassen angezapft werden. Das hat die

Kanzlerin Angela Merkel vehement abgewiesen beziehungsweise ausgeschlossen.

Deutschland hat immer gesagt, man will helfen, aber Zypern muss einen

eigenen Beitrag dazu leisten, wo auch immer der herkommt. Das ist Sache der

Regierung in Nikosia. Sollte es jetzt auch eine Kombination geben zwischen

Pensionen und höheren Spareinlagen, dann wird sich die deutsche Regierung

wahrscheinlich wieder schwer tun, das zu akzeptieren. Sollte es nur um die

höheren Spareinlagen gehen, dann wird man wahrscheinlich eher verhandeln

können.

Leitner Tarek (ORF)

Vorerst wird Deutschland ja heftig kritisiert in seiner Haltung Zypern

gegenüber. Wie reagiert man denn darauf in Berlin?

Marlovits Johannes (ORF)

Also grundsätzlich sieht man Angela Merkel eher selten sauer. Heute war sie

es, als sie in den Fraktionen die Politik von Zypern heftig kritisiert hat,

weil sie eben in die Pensionen eingreifen will. Auch die Opposition

kommentiert das Verhalten der Politik in Zypern mit Kopfschütteln. Der

Spitzenkandidat der SPD für die Bundestagswahl und Herausforderer von

Angela Merkel, Peer Steinbrück, fordert gar von Zypern ein klares

Bekenntnis zur EU und zum Euro. Und dass man jetzt Deutschland für die

eigene Misere verantwortlich macht, das ist für viele hier einfach kaum

nachvollziehbar.

Leitner Tarek (ORF)

Also Deutschland hat in diesem Fall eine doch ganz scharfe Haltung, und

Raimund Löw, wie wir gehört zuerst gehört haben, sinngemäß auch Zypern

bezeichnet haben als ein Land, das es da zu weit getrieben hat. Wie nehmen

das denn die anderen EU-Länder auf, dass Deutschland da so einen harten

Kurs fährt?

Löw Raimund (ORF)

Es gibt eine ganze Reihe von Ländern, deren Politiker sich auf den Schlips

getreten fühlen – weniger wegen der Sache selbst, da gibt man den Deutschen

oft recht, sondern wegen der Art und Weise, in der Deutschland oft

empfunden wird. Der luxemburgische Außenminister Asselborn hat hier gesagt,

wenn Deutschland infrage stellt das Geschäftsmodell von Ländern, in denen

Banken eine große Rolle spielen, dann wird er infrage stellen, ob es

richtig ist, dass ein Land seine Wirtschaft auf zu viel Autos und zu viel

Waffenexporten basiert, und er hat damit Deutschland gemeint. Das ist eine

Diskussion, die ganz offensichtlich in Europa außer Rand und Band geraten

ist. Man hat halt jetzt den Eindruck, Angela Merkel entscheidet, was mit

den zypriotischen Pensionssystemen passiert und Wolfgang Schäuble

entscheidet, welche Bank zugesperrt werden soll oder nicht. Das ist fatal

und da sieht man die Grenzen dieses sogenannten intergouvernementalen

Entscheidungsprozesses in Europa, dass die einzelnen nationalen Regierungen

entscheiden und es keine europäisch-demokratisch legitimierte Macht gibt,

die diese Entscheidungen treffen kann. Dieses Modell stößt in der

Zypern-Krise an seine Grenzen.