Was die Polizeigewalt gegen Demos in Moskau bedeutet, ORF, 1.8.2019

Hunderte Demonstranten, wahrscheinlich mehr als 1000 sind in den letzten Tagen in Moskau festgenommen worden, weil sie verlangen, dass auch oppositionelle Kandidaten zu den Lokalwahlen in Moskau Anfang September zugelassen werden. Warum denn diese harte Reaktion, Präsident Putin ist ja bis 2024 gewählt?
Das ist wirklich ein Einschnitt in Moskau, diese massive Gewalt der Polizei, die vielen Verhaftungen gegen völlig friedliche Demonstranten. Da hat es ja überhaupt keine Gewalt gegeben von Seiten der Demonstranten. Kein Vergleich zu den Auseinandersetzungen, die es in Frankreich von den Gelbwesten gegeben hat oder jetzt in Hongkong. Trotzdem gibt es jetzt Strafverfahren, die die Demonstranten bis zu 15 Jahre hinter Gitter bringen können.
Das ein unverhältnismäßiges Vorgehen, das nur als Zeichen der Verunsicherung im Kreml gewertet werden kann.
Es geht ja gar nicht um Wahlsieg oder so, sondern nur darum, wer kandidieren darf für die Gemeinderatswahlen im September. 1000de Leute haben Unterschriften geleistet, damit ihre Oppositionskandidaten auf den Stimmzettel kommen. Und dann hat die Wahlkommission gesagt, diese Personen gibt es gar nicht. Das waren die ersten, die demonstriert haben, mit dem Slogan, wir sind am Leben, uns gibt es. Danach hat sich der Konflikt aufgebaut.
Die Proteste sind nicht vorbei. Am Samstag soll es einen Stadtspaziergang geben, dazu rufen die Oppositionellen auf in Moskau, die aber selbst alle im Gefängnis sind. Die Gefahr, dass die Polizei da wieder massiv zuschlagen wird.

Die EU hat gegen diese Repressionswelle protestiert, andere auch. Ein Fokus der internationalen Aufmerksamkeit ist die Person des Oppositionellen Vladimir Nawalny, von dem es geheißen hat, dass er möglicherweise im Gefängnis vergiftet wurde. Wie wichtig ist Nawalny für die Opposition und was ist mit ihm jetzt los?
Nawalny ist aus dem Gefängnis wegen eines heftigen Ausschlages ins Spital gebracht worden. In der Zwischenzeit ist er wieder in seiner Gefängniszelle. Was passiert ist, ist umstritten. Die Behörden sagen, es gibt keine Spuren von Gift oder sonst einer gefährlichen Substanz. Die Ärzte Nawalnys halten dagegen fest, dass der Mann nie Anzeichen von Allergien gehabt hat.
Nawalny will gar nicht kandidieren bei diese Gemeinderatswahlen. Er hat nur die Demonstrationen unterstützt, und ist daraufhin festgenommen worden.
Aber er ist seit Jahren ein populärer Gegner des Putin-Regimes, vor allem, weil er die Korruption ins Zentrum seiner Kritik stellt. Navalny hat daraus einen politischen Slogan gemacht. Er hat gesagt die Regierungspartei Vereintes Russland ist die Partei der Gauner und Diebe. – das hat weh getan und das hat Nawalny zu einer Symbolfigur gemacht.
Es gibt in Russland in der Bevölkerung große Unzufriedenheit. Der Wirtschaft geht es immer schlechter, seit vielen Jahren. Die Menschen erleben alles wird teurer. Der Glaube an Putin, dass Putin alles richten kann schwindet. Das macht eine Situation, die nach außen stabil erscheint, unberechenbar.
Aber offenbar hat man die Sorge, dass die Regierungspartei Einiges Russland so unpopulär ist, dass sie die Kontrolle verlieren könnte. Und Kontrollverlust, das ist für den Kreml eine Horrorvorstellung.
Aber dass tausende Demonstranten widerholt auf die Straße gehen, für ihr elementares Wahlrecht, und sich auch von Polizeigewalt nicht abhalten lassen, dass sehr bemerkenswert.

Während in Moskau demonstriert wird brennen weite Landstriche in Sibirien. Brände sind im Sommer im Sibirien nicht ungewöhnlich. Diesmal sind die Gebiete riesig, die ein Opfer der Flammen werden. Werden diese Brände rein als Naturereignisse angesehen, oder gibt es dafür auch einen politischen Hintergrund?
Brände in Sibirien gibt es jedes Jahr im Sommer. Ausgelöst werden sie meist durch Blitze, der Boden ist trocken und das Unterholz beginnt zu brennen. Das ist Teil des normalen Ökosystems, aber es gibt auch Umweltexperten, die sagen, wenn die Temperaturen steigen, dann ist der Umfang dieser Brände größer. Jetzt ist ja ein Gebiet erfasst, dass ist so groß wie Belgien.
Und anders als früher steigt auch der Smog in den Städten.
Und das hat zur Kritik geführt, dass die Behörden zu wenig getan haben oder nichts getan haben. Das wird im Internet diskutiert, es gibt Unterschriften mit Kritik an den Behörden.
Ausgelöst wurde diese Kritik dadurch, dass die lokalen Behörden gesagt haben, sie unternehmen gar nichts, solange diese Brände in unbewohnten Regionen stattfinden. Das ist auch die Gesetzeslage, solange es mehr kostet zu löschen, als der Schaden kostet, der angerichtet wird, soll man gar nichts tun.
Das ändert sich jetzt gerade, die Regierung schickt Militär, um die Feuerwehr zu unterstützen.
Putin ist der starke Mann in Russland. Er hat heute mit Donald Trump telefoniert, der ihm angeblich Unterstützung bei der Brandlöschung vorgeschlagen hat? Kann man sich vorstellen, dass Russland dieses Angebot annimmt?
Was auffällt ist, wie freundlich der Kreml auf dieses Angebot Donald Trumps reagiert hat. Zurückgewiesen hat es Putin auf jeden Fall nicht.
In der Erklärung in Moskau zu diesem Telefonat heisst es, wenn nötig wird man wird auf den Vorschlag der Amerikaner zurückkommen, und man hofft, dass dieses Angebot ein Zeichen ist, dass sich die Beziehungen einmal wieder verbessern werden.
Putin betont auf jeden Fall, dass er ein gutes Verhältnis zu Trump hat, ungeachtet der angespannten Beziehungen, die es sonst zwischen Russland und den USA gibt.

 

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