US-Wahlkampf: Hillary Clintons Achillesferse, 3.8.2016

Der populäre Ex-Bürgermeister von New York Michael Bloomberg, ein republikanischer Freigeist, macht  Wahlkampf für Hillary Clinton. Vor den Delegierten der Demokraten  geißelte er Donald Trump als gefährlichen Scharlatan.  Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney und die Familie Bush setzen ebenfalls auf  die Niederlage des republikanischen Kandidaten.   Die in den Vorwahlen erfolgreiche demokratische Bewerberin steht als mögliche erste  Präsidentin der USA für das Durchbrechen der gläsernen Decke, die Frauen in patriarchalischen Gesellschaften den Weg ganz nach oben verwehrt. Ihr Sieg  wäre historisch, vergleichbar mit dem Einzug Obamas vor acht Jahren  als erstem Schwarzen in das  Weiße Haus.

Drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen  müsste Hillary Clinton eigentlich die große Favoritin sein.  Aber  die  Vorbehalte  in  der Öffentlichkeit wollen  nicht schwinden. Die  ehemalige First Lady ist  so unbeliebt wie wenige Präsidentschaftsanwärter vor ihr. Unglaubliche 70 Prozent der Wähler halten sie für unehrlich. Immerhin zeigen die Meinungsumfragen nach dem gelungenen Demokratischen Wahlparteitag  erstmals seit längerem wieder einen Vorsprung vor dem Rechtspopulisten Donald Trump.

Seit 25 Jahren  steht Hillary Clinton für das linksliberale Establishment,  in dem sie Karriere gemacht hat. Auf ihrem langen Weg war  sie wenig geliebte Gouverneursgattin in Arkansas, umstrittene First Lady, erfolgreiche Senatorin und hyperaktive Außenministerin. Zum Hass der Konservativen, für die die engagierte Feministin stets eine Feindfigur war, kommt  das Misstrauen der verbitterten weißen Arbeiterschaft  gegen eine klassische  Repräsentantin der Eliten. Der autoritäre Nationalist Donald Trump und Hillary Clinton lagen diesen Sommer wochenlang gleichauf.

Michael Moore, der kritische Filmemacher,  rüttelt Amerikas Linke mit der Aufforderung auf, ein paar Mal „Präsident Donald Trump“ vor sich her zu sagen, um sich die Dramatik der Lage zu vergegenwärtigen.

Hillary Clintons außenpolitische Achillesferse ist ihr Ja  zum Irakkrieg.  2002 hat sie   für eine Resolution gestimmt, die der  Bush-Administration grünes Licht für militärische Gewalt gegen Saddam Hussein gab.  Amerika stand  unter dem Schock  des 11.September 2001. In der aufgepeitschten patriotischen Stimmung widersetzte sich  nur  eine Minderheit der Demokraten dem  Kriegskurs. Barack Obama gehörte zu den Kriegsgegnern, ebenso der verstorbene  Edward Kennedy.   Hillary Clinton hat ihre Entscheidung später  bedauert.

Anders als nach dem Vietnamkrieg hat es in den USA eine ernsthafte Untersuchung nie gegeben, wie es zu dem größten außenpolitischen Debakel der letzten Jahrzehnte gekommen ist. Nur Großbritannien,  der engste Verbündete, versucht mit  Verspätung  reinen Tisch zu machen. Die Veröffentlichung des unabhängigen Irak-Berichts von John Chilcot ist durch das  Brexit-Chaos  in den Hintergrund gedrängt worden. Zu Unrecht, denn mit den Folgen der unverantwortlichen Kriegsführung von George W.Bush und Tony Blair ist heute ganz Europa konfrontiert.

Die  Expertengruppe um Chilcot, alles  hochrangige Experten aus den obersten Etagen der britischen Regierung, prüft in 12 dicken Bänden die Entscheidungsprozesse um die Invasion. Das Urteil ist verheerend. Entgegen den  Behauptungen der Regierung Blair stellte der Irak keine Bedrohung für Großbritannien dar, es waren bei weitem nicht alle friedlichen Mittel zur Streitbeilegung  ausgeschöpft und eine ernsthafte Planung für die Zeit nach dem Sturz des Baath-Regimes fehlte völlig.

So gut wie alle Akteure kommen extrem schlecht weg. Der Chef des Auslandsgeheimdienstes MI6, der die politisch gewünschten Falschinformationen über Massenvernichtungswaffen  weiterreichte,  die militärische Führung, die ohne langfristige Planung in den Krieg zog, und  natürlich Blair selbst, der sich Bushs Line extrem früh und nahezu fanatisch anschloss.

Die Helden der Irakkriegsgeschichte sind  Hunderttausende, die  auf der ganzen Welt auf die Straße gegangen sind,  weil sie den Beteuerungen der Kriegstreiber nicht glaubten. Nicht Widerspruchsgeister und Dissidenten sind in turbulenten Zeiten die größte Gefahr, sondern die Jasager, wenn eine Führung ungeprüft gegen  Außenfeinde mobilisiert, muss die wichtigste Schlussfolgerung sein.

Paradoxerweise muss  Hillary Clinton 2016  sowohl  Verteidiger der imperialen Rolle Amerikas als auch  Kritiker hinter sich vereinen, um die Welt vor der Katastrophe einer Präsidentschaft des nationalistischen Demagogen Donald Trump zu bewahren.