Wenn der Syrien-Konflikt größer wird, kommt die Intervention

Muss die Welt wirklich zusehen, wie das Regime Baschar al Assads im Überlebenskampf sein eigenes Land in Schutt und Asche legt? Und: welchen Preis wird das Nicht-Eingreifen  haben, wenn das syrische Regime schließlich stürzt? In den USA kritisieren immer mehr Außenpolitikexperten  die Untätigkeit der Obama-Administration. Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy stört die sommerliche Lethargie  mit dem Aufruf, dem syrischen  Aleppo zu Hilfe zu kommen, so wie er  Benghazi während des libyschen Aufstandes geholfen hat.  Französische und britische NATO-Flugzeuge retteten die Rebellenmetropole vor den angreifenden Gaddafi-Truppen. Trotz eines überwältigenden  militärischen Übergewichts des Regimes  läßt sich die syrische Aufstandsbewegung nicht niederwerfen.  Der Bürgerkrieg hat die Staatsgrenzen längst gesprengt. Die syrische Opposition hält schiitische Libanesen gefangen,  weil die Schiitenmiliz Hisbollah das Assad-Regime unterstützt. Jetzt revanchiert sich ein  schiitischer Clan im Libanon mit einer Welle  von  Entführungen syrischer Sunniten.  In den Kurdengebieten an der syrisch-irakischen Grenzregion ringen Anhänger des irakischen Kurdenführers Massud  Barzani mit Guerillakämpfern der gegen die Türkei kämpfenden PKK um die Vorherrschaft.
Je größer die Gefahr einer regionalen Ausweitung des syrischen Bürgerkrieges ist, desto schwieriger wird es für Europa und Amerika eine direkte Intervention zu vermeiden.
In der New York Times argumentiert ein Militärexperte,  dass  500 Stinger Boden-Luftraketen gegen Flugzeuge und 1000 Panzerbrechende Geschoße in den Händen der Rebellen das militärische Blatt wenden  würden. Nach dem ersten Irakkrieg bot eine von den USA durchgesetzte Flugverbotszone den irakischen Kurden Schutz vor Saddam Husseins Luftwaffe. Ähnliche Unterstützung sollte Kommandanten der Freien Syrischen Armee angeboten werden, die sich für religiöse Toleranz und demokratische Grundregeln aussprechen, schlägt die prominente Hillary Clinton-Vertraute, Anne-Marie Slaughter, vor.  Aus der Luft könnten NATO-Flugzeuge auch Fahrverbotszonen durchsetzen, um es dem Regime zu erschweren,  schweres Kriegsgerät zu verschieben. Baschar al Assad ist in der arabischen Welt heute um vieles isoliertes, als es Muhammar al Gaddafi je war, erinnert in Frankreich Interventions-Befürworter Bernard Henri-Levy. NATO-Flugzeuge über Syrien wird es in den nächsten Wochen trotzdem nicht geben. Anders als in Libyen ist das syrische Militär  intakt, trotz einer wachsenden Zahl von Desertationen.  Alleine zur Ausschaltung der  Luftabwehr müsste der Westen einen Luftkrieg vom Zaun brechen, für den ausschließlich die USA die Mittel haben.  In den letzten Wochen eines schwierigen Präsidentschaftswahlkampfes wird Barack Obama keine  geopolitische Risiken eingehen.
Das sichere Nein Moskaus im UNO-Sicherheitsrat zu neuen Zwangsmaßnahmen gegen Assad ist die größte diplomatische Hürde. Im libyschen Fall war es der durch Sarkozy getriebenen französischen Diplomatie  gelungen Russland und China zur Enthaltung zu bewegen. Ein Entgegenkommen des damaligen russischen Präsidenten Medwedew, das von Vladimir Putin um vieles schwieriger zu erreichen wäre. Ähnlich blockiert war Anfang der Neunzigerjahre die Weltpolitik bei Ausbruch der Jugoslawienkriege. Moskau hielt Slobodan Milosevic die Stange. Erst nach mehreren Waffengängen, gescheiterten Vermittlungsversuchen und  hunderttausenden Toten rang sich die Clinton-Administration zu den NATO-Luftangriffen durch, die halfen das Morden zu beenden.  Ohne Zustimmung der Vereinten Nationen. Die russischen Proteste hielten sich in Grenzen.
Dominique de Villepin, der einst als Frankreichs Außenminister vor der UNO den Irakkrieg anprangerte, malt die Gefahr des Zerfalls Syriens in radikalisierte Einzelteile an die Wand. Ein  hochgerüsteter und mit dem Iran verbündeter alawitischer Rumpfstaat, in dem der Assad-Clan den Ton angibt, neben sunnitischen Regionen mit starker Al Kaida-Präsenz, das ist eine Aussicht, die das Engagement der Außenwelt beschleunigen könnte.
Der lange Bürgerkrieg in Syrien ist voll der Fallstricke und Gefahren. Aber der Westen wird sich auf Dauern nicht heraus halten  können.
Frankreichs ehemaliger Regierungschef  Francois Fillon drängt  Amtsinhaber Francois Hollande zur großen weltpolitische Geste. Der Sozialist solle als Reaktion auf die Bombardierung Aleppos  zu Vladimir Putin nach Moskau fliegen, am besten gemeinsam mit Angela Merkel, um die Blockade im Sicherheitsrat durch Garantien für Russland zu lockern. Ein  beschleunigter Krisenmodus wäre für  Europas Diplomatie angesichts der syrischen Tragödie angebracht.