Nordkorea und die Welt, 10.9.2017

 In der Koreakrise von 2017 werden die weltpolitischen Rollen für das 21.Jahrhundert neu verteilt werden. Auf den sechsten Atomtest Nordkoreas letzte Woche reagierte Amerika via Tweet des Präsidenten. In Anlehnung an Trumans Wortwahl nach Hiroshima und Nagasaki von „Feuer, Wut und Macht“ drohte Trump  mit einem Atomschlag.  Die Welt erlebt,  dass nicht nur die nuklearen Provokationen Nordkoreas den Weltfrieden gefährden, sondern auch die  unberechenbare Führung Amerikas. Wie im Irakkrieg gehen Deutschland und Frankreich auf Distanz zu den USA.
Neben Nordkoreas Kim Jong Un und Amerikas Donald Trump ist Chinas starker Mann Xi Jinping der wichtigste Akteur. In Pjöngjang ließ das Regime die unterirdische Explosion mit Paraden und Volksfesten feiern. Peking war es nicht gelungen, den unbotmäßigen Nachbarn unter Kontrolle zu bringen. Zu einer Verschärfung der Wirtschaftssanktionen ist China bereit, weil sonst ein Bruch mit den USA unvermeidlich wäre.
Im Chor der Ultimaten und Drohungen ist China eine Stimme der Besonnenheit. Nach einem Telefonat mit Xi fuhr Trump seine Rhetorik herunter. Die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident bestärken den chinesischen Präsidenten. Der einzige Plan, wie eine weitere Eskalation mit Nordkorea  verhindert werden kann, lautet: Freeze, Einfrieren. Er wurde in Peking entwickelt. Kim Jong Un soll die Modernisierung seiner Bomben und Raketen im Gegenzug für Sicherheitsgarantien stoppen. Noch weisen beide Seiten die Idee zurück. De facto hebt die „Freeze“-Variante Nordkorea in den Status einer Atommacht. Genau das ist das Ziel Kim Jong Uns, weil er glaubt als  Nuklearmacht unangreifbar zu sein.
Die New York Times hat recherchiert, dass die wichtigste Unterstützung für das nordkoreanische Atomprogramm nicht von China oder der Sowjetunion gekommen ist, sondern paradoxerweise aus Pakistan. Pakistan ist einer der engsten Verbündeten der USA. Seit den 1980er-Jahren verfügen Pakistan und Indien über Nuklearwaffen. Kriege wurden seither keine geführt. Beide Staaten gehen mit ihrer Todfeindschaft kontrollierter  um, als zuvor.  Kann Nordkorea seine Atomwaffen behalten, wird in Südkorea und Japan der Druck  steigen, gleichzuziehen. Nur gemeinsam könnten China und die USA einen riskanten atomaren Rüstungswettlauf in Ostasien verhindern. Gelingt der chinesischen Diplomatie dieses Kunststück, wäre dem Reich der Mitte der Status als internationale  Führungsmacht sicher.
In den 1950er-Jahren festigte der Koreakrieg die Stellung der USA als oberste Instanz des Westens. Die amerikanische Wirtschaft wurde in dem von Rüstungsaufträgen ausgelösten Koreaboom zum Motor der Weltwirtschaft.
Stalin hatte 1950 nach einigem Zögern den nordkoreanischen Angriff auf Südkorea genehmigt, weil er die amerikanische Präsenz in Europa durch einen Krieg in Fernost schwächen wollte. Die Besuche des nordkoreanischen Führers Kim Il Sung in Moskau sind in den sowjetischen Archiven gut dokumentiert.  Der Kalte Krieg strebte seinem Höhepunkt zu. Trotz Kriegsmüdigkeit in der eigenen Bevölkerung mobilisierte Amerika hunderttausende Soldaten, um die Angreifer bis an die Grenze zu China zurückzuwerfen. Nur der Eingriff Maos und die chinesischen Soldaten verhinderten, dass Nordkorea amerikanisch besetzt blieb. Die USA mussten akzeptieren, dass die in Jalta und Potsdam fixierte Teilung Koreas nicht in Frage gestellt wurde. Nie wieder hat im Kalten Krieg  eine Seite versucht, eine Blockgrenze mit Waffengewalt zu durchbrechen.
65 Jahre später spielt bei allein  Szenarien die Volksrepublik China die entscheidende Rolle.  Wie würde Peking reagieren, wenn die USA versuchen eine nordkoreanische Testrakete abzufangen? Eher mit Langmut, wird spekuliert. Aber sollten die USA einen Überraschungsangriff auf die Atomanlagen starten, um die nordkoreanische Führung zu stürzen, wäre mit erbittertem Widerstand aus China zu rechnen. Ein amerikanischer Asienexperte empfiehlt der Volksrepublik gar, Nordkorea prophylaktisch selbst zu besetzen, um die Atomwaffen unter Kontrolle zu bringen und einen großen Krieg zu verhindern.
Gelingt es nicht, ein kriegerisches Hochschaukeln des Konflikts zu verhindern, dann würde neben Korea wiederum China den höchsten Preis zahlen. Schon jetzt wird in der Grenzregion nach jedem Atomtest höhere Radioaktivität gemessen. Ein Krieg oder gar eine atomare Auseinandersetzung würde massiv die nordöstliche Industrieregion Chinas treffen. Der weitere wirtschaftliche Aufstieg China, von dem die Stabilität des Riesenreiches abhängt, wäre gefährdet.
Die Weltwirtschaft hängt Anfang des 21.Jahrhunderts vom Wachstum in Asien ab. Misslingen die chinesischen Vermittlungsversuche in Korea, wären die  Folgen für den gesamten Globus verheerend.  Europa sollte Pekings Diplomatie unterstützen.

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