Die Kriegsgefahr um den Iran wächst, Hintergründe und Überlegungen, 11.7.2019

Die britische Regierung spricht von einem iranischen Versuch gegen einen britischen Öltanker in der Straße von Hormuz vorzugehen. Die Iraner bestreiten, dass es diesen Zwischenfall gegeben hat. Was ist der Hintergrund dieser Auseinandersetzung?

Egal was jetzt konkret passiert ist, geschossen wurde nicht, der britische Tanker konnte weiterfahren. Aber die Spannungen in dieser wichtigen Meeresenge nehmen seit Wochen zu.
Der konkrete Hintergrund ist klar: letzte Woche ist ein iranischer Öltanker von den Briten beschlagnahmt worden, und zwar in Gibraltar. Die Briten sagen, der Supertanker wollte Öl nach Syrien bringen, was Sanktionen gegen Syrien verletzt. Die Iraner haben Gegenmaßnahmen angekündigt, sie sagen die Aktion gegen den iranischen Tanker ist ein Piratenakt der Briten, weil es sich bei den Syrien-Sanktionen um EU-Regeln handelt, an die der Iran nicht gebunden ist. Und die Iraner haben mit Gegenmaßnahmen gedroht.
Briten und Amerikaner sagen, die Iraner haben versucht den britischen Tanker zu stoppen und in den Iran zu bringen. Wenn das, so abgelaufen ist, wie Briten und Amerikaner sagen, dann kann das eine Revanche für die Aktion der Briten vor Gibraltar.
Der eigentliche große Konflikt besteht ja zwischen dem Iran und den USA, aber was da heute passiert ist zeigt, wie leicht auch Europa hineingezogen werden kann, wie jetzt Großbritannien.

Was ist gestern genau passiert nach britischer Darstellung?

Es handelt sich um einen Tanker von BP, der aus dem Irak Öl holen sollte. Wie es diese iranischen Drohungen gegen die Briten gegeben hat war klar, BP, Britisch Petrol, die Aktion ist riskant und der Tanker hat sich immer eng an der Küste zu Saudi Arabien bewegt, das war sicherer. Man hat gewartet, bis die britische Marine zum Schutz ein Militärschiff zur Verfügung stellt. Und diese britische Frigatte hat die iranischen Schnellboote dann auch vertreiben können, wie der Tanker durch die Straße von Hormuz gefahren ist.
Das ist die Darstellung der Briten und der Amerikaner, die Iraner bestreiten das, wie gesagt alles.
Die USA verlangen ja schon seit längerer Zeit einen Militärpakt, um internationalen Begleitschutz für Öltanker in der Straße von Hormuz auf die Beine zu stellen. Solche Berichte sehen sie als Bestätigung, dass ein solcher militärischer Schutz für Öltransporte tatsächlich nötig ist.

Noch vor wenigen Wochen ist man einer Konfrontation zwischen den USA und dem Iran nur knapp entgangen, als Iraner ein Spionageflugzeug abgeschossen haben und USA mit Luftangriffen reagieren wollten, bis Trump im letzten Augenblick zurückgesteckt hat. Die Iraner haben damals gesagt, dass sie bewusst auf eine unbemannte Drohne gezielt haben und nicht auf ein bemanntes Militärflugzeug. War das nicht ein Anzeichen, dass beide Seite vor einer Konfrontation zurückschrecken?

Schon, aber wirkliche Beruhigung hat es keine gegeben. Kommt es wirklich dazu, dass Kriegsschiffe Öltanker begleiten durch die Straße von Hormuz, dann wäre das eine gefährliche Militarisierung, dann kann jeden Augenblick eine Kettenreaktion losgehen.
Vergessen wir nicht: durch die Straße von Hormuz wird ein Großteil der Erdölversorgung der Welt transportiert. 30 km liegen zwischen den Küsten des Iran und Saudi Arabiens, und zwischen den beiden Anrainern herrscht tiefe Feindschaft.
Die Saudis sind enge Verbündete der USA und sie drängen die USA dazu, noch härter gegen den Iran vorzugehen, inklusive mit militärischen Mitteln.
Im Iran Machtverschiebung zu den Revolutionsgardisten, die sind die Hardliner innerhalb des Regimes
Viele Experten sagen, Gefahr eines militärischen Zusammenstoßes seit Jahrzehnten nicht mehr so groß wie jetzt.

Hintergrund ist der Streit um das iranische Atomprogramm. Nach dem Ausstieg der USA aus dem internationalen Abkommen, das der iranischen Nukleartechnologie enge Grenzen gesetzt hat ist dieser Streit wieder voll entbrannt. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien hat diese Woche erstmals bekannt gegeben, dass der Iran Grenzen bei der Anreicherung überschritten hat. Ist das eine Überraschung und wie wichtig ist diese Erkenntnis?

Überraschung nicht, weil der Iran das selbst schon bekannt gegeben hat, dass er Uran stärker anreichern wird, als das laut Vertrag eigentlich erlaubt ist und auch in größerer Menge. Die Iraner sagen, sie dürfen das, weil durch den Ausstieg der USA aus dem Atomdeal viele Wirtschaftssanktionen wieder eingeführt wurden, die es eigentlich nicht mehr geben dürfte.
Von der Möglichkeit eine Atombombe zu bauen ist der Iran nach wie vor weit entfernt, dazu braucht man Uran, das zu 90 Prozent angereichert ist, jetzt ist das eine Anreicherung von 5 Prozent.
Aber der Iran überschreitet damit die vom Atomvertrag vorgegebenen Grenzen. Und das ist vor allem ein Schachzug im Poker mit den Europäern.
Die Iraner signalisieren den Europäern: wenn ihr diesen Atomdeal am Leben erhalten wollt, dann müsst ihr viel mehr tun als bisher, um die neuen amerikanischen Sanktionen auszugleichen. Sonst platzt der ganze Atomvertrag und es kommt zu der offenen Konfrontation, die die Europäer vermeiden wollen.

USA haben zwar den Atomdeal mit dem Iran abgesagt, aber sagen, sie wollen verhandeln. Ist das Ziel einer neuen Verhandlungsrunde realistisch?

Die offizielle amerikanische Doktrin lautet, maximalen Druck ausüben, damit die Iraner nicht nur auf Atomtechnolgie auf alle Zeiten verzichten, sondern auch auf ihren Einfluss in der Region – und das heisst Verbündete aufzugeben, in Syrien , im Libanon, im Jemen. Das macht kein Staat, der nicht besiegt ist, und die Iraner sehen sich nicht als besiegt an.
Ein Verhandlungsweg müsste in der gegenwärtigen Situation von den Europäern kommen, aber dazu müssten auch die Amerikaner die Europäer als Vermittler akzeptieren, was bisher nicht der Fall ist.

Welche Chance haben die Europäer einen eigenen Weg zu gehen, der eine weitere Eskalation verhindert?

Die Europäer haben eine Tauschbörse gebildet, über die europäische Firmen mit dem Iran Geschäfte machen können, ohne von amerikanischen Sanktionen bedroht zu sein. Das ist ja die große Sorge aller Unternehmen, wenn sie aus dem Iran etwas kaufen oder verkaufen, dass sie dann in Amerika Probleme bekommen. Weil der amerikanische Markt so wichtig ist in der Weltwirtschaft, wollen nur wenige Firmen dieses Risiko eingehen. Und auch Ölgeschäfte laufen bisher keine über diese europäische Tauschbörse.
Die Europäer wollen Zeit gewinnen, daher ist dieser Tage ein französischer Abgesandter von Präsident Macron in Teheran, der will erreichen, dass die Iraner möglichst lange an dem Deal noch festhalten. Damit die Europäer mit den Amerikaner aushandeln, dass die Amerikaner stillhalten, wenn wieder Geschäfte gemacht werden mit dem Iran und iranischem Öl.
In den USA ist die Trump-Führung gespalten, der Präsident distanziert sich immer wieder von den Hardlinern. Und die amerikanische Bevölkerung will keinen neuen Krieg im Nahen Osten. Die Europäer sehen darin eine Chance zu einem Verhandlungsprozess zu kommen, wenn sie nur genug Zeit haben.
Es ist ein gefährliches Poker, das da gespielt wird zwischen Washington und Teheran, mit Europa in einer Zwischenposition.

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