Die Gefahren der Kriegsrhetorik, Facebook Posting

Wie werden uns die Anschläge in Paris verändern?„Ihr mögt euch nicht für den Krieg interessieren, aber der Krieg interessiert sich für euch.“ An den bitteren Einwurf Leo Trotzkis gegen pazifistische Genossen erinnert der deutsche Kulturphilosoph Claus Leggewie nach dem 13.November in Paris.
Die französische Regierung reagiert mit Kriegsrhetorik auf die Terrorangriffe. Der linke Francois Hollande klingt heute wie George W.Bush nach 9/11. Frankreich drängt zu militärischen Schritten gegen IS. Gleichzeitig warnt Barack Obama in der Türkei eindringlich vor unüberlegten Schritten. Die USA wollen keine Bodentruppen gegen Rakka schicken, wie einst gegen die Taliban in Afghanisten. Die Rollen sind vertauscht zwischen Europa und Amerika.
Europa ist heute vom Dschihadismus stärker bedroht als die USA. Aus verschiedenen Gründen, die von der Geographie bis zu geringen Bereitschaft islamischer Amerikaner auf die eigenen Landleute loszugehen, reichen. Der riesige Sicherheitsapparat, der unter George W.Bush aufgebaut wurde, inklusive den superteuren Bespitzelungsaktionen der Geheimdienste, spielt dabei wahrscheinlich eine eher untergeordnete Rolle.
Wie in Amerika 2001 ist auch in Europa das Versagen der Geheimdienste frappant. Der französischen genauso wie der belgischen. Die Belgier haben jahrelang zugesehen haben, wie im Brüsseler Bezirk Moolenbek dschihadistische Zellen Anschläge vorbereiten. Ein guter Bekannter von mir hat vor einiger Zeit in der Toilette eines Passagierflugzeuges auf dem Flug von Brüssel nach Marokko in der Flugzeugtoilette die Aufschrift „Al Qaida au bord de l’avion“ entdeckt. „Al Qaida fliegt mit im Flugzeug.“ Passiert ist nichts. Verhört wurde nur der Passagier, der die Aufschrift als erster gesehen hat.
Strengere Sicherheitsvorkehrungen in Europa werden jetzt nicht zu vermeiden sein. In Peking gibt es in jeder U-Bahnstation Gepäckskontrollen, ähnlich wie auf Flughäfen. Auf französischen Bahnhöfen patroullieren seit Jahren schwerbewaffnete Soldaten. Ob das wirklich etwas bringt, ist fraglich. Aber angesichts einer derartigen Bedrohung müssen die Staaten irgendwie reagieren.
Die größte Gefahr ist in einer solchen Situation nicht die Überwachung selbst, sondern eine entstehende Kreuzzugsmentalität. Die verheerendsten Fehler der USA nach 9/11 waren der Einmarsch im Irak, der unter Saddam Hussein mit Al Qaida nichts zu tun hatte, und Guantanamo. Mit Guantanamo signalisierten die USA, dass sie bereit sind den Rechtsstaat außer Kraft zu setzen. Es war das beste Argument für antiamerikanische Propaganda, das sich radikale Islamisten wünschen konnten.
Zu einem europäischen Guantanmo darf es nicht kommen. Die Europäer haben jetzt die schwierige Aufgabe gleichzeitig mit Terrorabwehr auch die multikulturelle Realität ihrer Gesellschaften, zu verteidigen.