Der Vorwahlkampf der US-Demokraten, 3.7.2019

Zweimal zwei Stunden haben die potentiellen Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei in Miami diskutiert wie Amerika gerechter werden kann und wer 2020 am besten geeignet ist, Donald Trump zu schlagen. Es war eine Mammutshow mit jeweils 10 Diskutanten. Steuern für die Reichen, die Zerschlagung von Internetkonzernen wie Facebook und das Drama der Migranten an der mexikanischen Grenze standen im Zentrum. Riesengroß wurde das Bild des toten Oscar Alberto Martinez Ramirez und seiner kleinen Tochter Valeria eingespielt, die beim Überqueren des Rio Grande ertrunken sind.
Gegen politischen Hard Core, noch dazu über viele Stunden mit Diskutanten, die das breite Publikum kaum kennt, wehren sich Amerikas TV-Gewaltige normalerweise mit Händen und Füßen. Aber die Debatten der Demokraten wurden zum Quotenhit im Fernsehen. Die Vorwahlen, die in Wirklichkeit erst im Februar 2010 in Iowa und New Hampshire beginnen, sind ein kräftiges Lebenszeichen der amerikanischen Demokratie in der düsteren Zeit Donald Trumps.
Der Präsident reagierte mit wüsten Beschimpfungen auf Twitter. Joe Biden, Obamas ehemaligen Vizepräsidenten, beschimpft Trump als „Sleepy Joe“, den Linken Bernie Sanders („Crazy Bernie“) beflegelt er als „nuts“, als verrückt. Der Kontrast zwischen der harten aber sachlichen Auseinandersetzung bei den Demokraten und den giftigen Hasstiraden des Republikaners konnte deutlicher nicht sein.
Die Grand Old Party, wie sich die Republikanische Partei nennt, ist traditionelle Heimat der bürgerlichen Konservativen. Ihre Wurzeln reichen bis zu Abraham Lincoln, dem Sklavenbefreier. Unter Trump sind die Republikaner zu einer rechtspopulistischen Antiausländerpartei geworden. Die Demokraten stehen für ein breites Zelt von Minderheiten, Gewerkschaften und versprengten Linken, unter der Führung des liberalen Establishments. Die TV-Debatten der letzten Woche haben gezeigt, dass die Mitte-Links-Partei nach links gerückt ist.
Bernie Sanders hat schon gewonnen, schreibt das linke Wochenmagazin The Nation. Die Ideen des sozialistischen Senators aus Vermont von einem staatlichen Gesundheitssystem, höheren Steuern für die Reichen und einem Mindestlohn von 15 US-Dollar waren noch vor vier Jahren unerhört. Heute sind sie Mainstream bei den Demokraten.
Trotz des Hype um die Migrationsströme aus Zentralamerika ist die Forderung nach einem menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen unbestritten. Auf die Fragen des Moderators, ob undokumentierte Migranten, also Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung, Zugang zum amerikanischen Gesundheitssystem haben sollen, antworteten ausnahmslose alle Diskutanten mit „Ja“. Trump hat sofort mit einem hetzerischen Tweet reagiert.
Der Vorwahlkampf, bei dem es darum geht die Gunst der Parteiaktivisten zu gewinnen, wird radikaler geführt als der Präsidentenwahlkampf selbst. Wer auch immer gegen Donald Trump antritt, wird 2020 anders klingen als jetzt. Aber eine Grundsatzdebatte wie bei den amerikanischen Demokraten hätte man zwischen Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen in Europa auch ganz gerne.
Einen denkwürdigen Schlagabtausch lieferte die kalifornische Senatorin Kamala Harris dem in Umfragen führenden Ex-Vizekanzler Joe Biden. Biden hat in seiner 40-jährigen Politikerkarriere auch mit rassistischen Senatoren zusammengearbeitet und er ist stolz darauf. Dass zur besseren Integration Schulbusse eingesetzt wurden, die schwarze Kinder aus den Armenvierteln in die Wohnbezirke der Weißen brachten, sah er skeptisch. Senatorin Kamala Harris, einst die erste schwarze Justizministerin Kaliforniens, brachte Biden mit ihren messerscharfen Einwürfen aus der Fassung. Der 76-jährige Veteran erschien als Vertreter einer Generation, deren Zeit vorbei ist.
Auf der Parteilinken steht Bernie Sanders nicht mehr alleine da. Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts bezeichnet sich nicht als Sozialistin, legt aber detaillierte Pläne zur Besteuerung von Multimillionären und der Zurückdrängung der Finanzwirtschaft vor. In parteiinternen Umfragen legt die ehemalige Harvard-Professorin zu.
Die amerikanische Gesellschaft wird nicht nur rassistischer und bösartiger, wie die Zustimmung zu Donald Trump demonstriert, sondern auch liberaler. Ein schwuler Bürgermeister, wie Pete Buttegieg aus dem Midwest, wäre früher als Präsidentschaftskandidat ausgeschlossen gewesen.
Die Forderung nach Gerechtigkeit ist eine Triebkraft linker und rechter Mobilisierung. In den 13 Monaten bis zum Nominierungsparteitag der Demokraten in Milwaukee im Sommer 2020 stehen persönliche Abstürze, Aufstiege und neue politische Drehungen bevor. Welche Richtung sich durchsetzt ist offen.
Wladimir Putin hat die liberale Demokratie und die multikulturelle Gesellschaft für tot erklärt. In Wirklichkeit ist die Demokratie alive and kicking, das beweist der Vorwahlkampf der Demokraten in den USA.

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