Terroranschläge erschüttern Sri Lanka, ORF, 25.4.2019

Was weiß man inzwischen über die Hintergründe dieses Anschlage in Sri Lanka? Und wie wahrscheinlich ist es, dass wirklich der IS dahintersteckt?
Wir müssen davon ausgehen, dass eine Verbindung dieser Selbstmordanschläge in Sri Lanka zum IS tatsächlich besteht. Das ist sehr beunruhigend, denn es bedeutet, dass der IS international weiter eine große Bedrohung ist, obwohl er militärisch in Syrien und im Irak besiegt ist.
Es gibt nicht nur ein Bekennerschreiben von IS, das noch nicht viel bedeutet, weil es schon öfters vorgekommen ist, dass der IS irgendwelche Gewalttaten für sich reklamiert hat. Zusätzlich ist jetzt ein Video aufgetaucht, in dem sich der präsumptive Anführer der Selbstmordattentäter ausdrücklich zum IS bekennt.
Die Dschihadistengruppe selbst, aus der die Attentäter gekommen ist, hat bisher niemand ernst genommen. Die waren schlecht organisiert, haben wenig Geld gehabt und sind nur aufgefallen, wie sie vor einiger Zeit ein paar Buddhastatuen demoliert haben.
Was wir am Ostersonntag in Sri Lanka gesehen haben, waren die größten Terroranschläge seit dem 11.September.
Um eine solche Serie von Attentaten durchzuführen braucht man Bombenbauer, man braucht einen Plan, man braucht Logistik und Koordination. Das alles deutet auf das Know How einer internationalen Terrorgruppe hin.
Das ist eine gefährliche Kombination.
Der Verteidigungsminister in Sri Lanka sagt, dieses Massaker am Ostersonntag war als Rache für die rechtsextremistischen Morde in Neu Seeland gedacht. Wie glaubwürdig ist diese Vermutung?
Das kann schon sein, dass die Attentäter Christchurch zur Rechtfertigung benützt haben. Aber das Massaker in zwei islamischen Gotteshäusern ist vor 6 Wochen passiert. Die Vorbereitungen für diese Angriffe in Sri Lanka haben sicher viel, viel länger gedauert.
Eine gewisse Parallelität gibt es bei den politischen Zielen der Terroristen, ob das jetzt islamistische Dschihadisten sind oder Rechtsextreme, die sich auf das christliche Abendland berufen:
Beiden wollen einen Rassenkrieg, oder einen Religionskrieg auslösen. Sie wollen, dass es Racheaktionen der angegriffenen Volksgruppe gibt und sich auf diese Weise die Situation immer mehr aufschaukelt.
Gefahr besteht tatsächlich: in Sri Lanka in den letzten Tagen zahlreiche Anschläge auf Moscheen gegeben und hunderte islamische Familien mussten aus gemischten Wohngegenden fliehen.
Moslems sind eine Minderheit in Sri Lanka, genauso wie die Christen. Die größten Religionsgemeinschaften sind Buddhisten und Hindus.
Ein ähnliches Kalkül hat es ja auch in Europa gegeben, bei den Anschlägen in Paris und Brüssel. Die Strategie der Extremisten war, dass es als Reaktion auf die Anschläge Repression gegen die Moslems geben wird und die sich weiter radikalisieren.
Wie gefährdet sind Christen allgemein in Asien oder auch in Afrika und Nordafrika, wo es ja immer wieder Berichte über Angriffe gibt. Sind Christen und christliche Kirchen besonders gefährdet als Ziele von Terroristen?
Ganz klar, es gibt gezielte Angriffe gegen Christen und christliche Gotteshäuser in vielen Teilen der Welt. In Asien hat es Anschläge auf eine Kathedrale im Süden der Philippinen gegeben. Christliche Gemeinschaften werden attackiert, wo sie Minderheiten sind.
Und rassistische Extremisten es nicht aushalten, dass mehrere Völker, mehrere Religionen zusammen leben.
Opfer dieser Logik sind nicht nur Christen, sondern auch Moslems oder andere Minderheiten. In Myanmar ist ein ganzes Volk vertrieben worden, durch buddhistische Extremisten.
Dass Christen als Minderheit Opfer sind, das ist auch im Nahen Osten der Fall, wo die Kopten in Ägypten die Opfern sind. Das ist auch in Afrika, in Nigeria der Fall, wo Boko Haram christliche Dörfer überfällt.
In Sri Lanka hat die Kirche jetzt überhaupt alle Gottesdienste abgesagt.
Die Geheimdienste in Sri Lanka waren offensichtlich über die terroristische Bedrohung informiert, haben aber nicht reagiert. Der Verteidigungsminister musste jetzt deshalb zurücktreten. Wie konnte es zu diesem Desaster kommen?
Die Informationen sind von den indischen Geheimdiensten gekommen, für die die Beobachtung von potentiellen Terrororganisationen die wichtigste Aufgabe ist. Und offensichtlich haben die Inder den Kollegen in Sri Lanka viele Details gegeben, Namen von Verdächtigen, Handynummern, Adressen, aber nichts ist passiert.
Man kann sich vorstellen, wie wütend die Menschen jetzt auf die Regierung sind.
Sri Lanka ist ein chaotisches Land, der Staatsapparat funktioniert noch immer schlecht, zehn Jahre nach dem dort ein furchtbarer Bürgerkrieg zu Ende gegangen ist. Der Präsident ist mit dem Premierminister verfeindet, und die Geheimdienste haben von diesen Warnungen offensichtlich niemanden informiert.
Erst vor 10 Jahren ist ein Bürgerkrieg zu Ende gegangen zwischen der Volksgruppe der Tamilen, die einen eigenen Staat wollten, und dem Zentralstaat mit der Mehrheit von Singalesen. Die Angst ist, dass jetzt unter neuen Vorzeichen diese Gewalt wieder zurückkommt.
Tourismus ist für Sri Lanka ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die Besucherzahlen aus China, Europa und Amerika sind in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt, das hat geholfen das Land nach dem Ende des Bürgerkrieges zu stabilisieren. Wird der Tourismus diese Katastrophe überleben?
Jetzt hagelt es natürlich jetzt Absagen. Das österreichische Außenministerium sagt, es gibt keine generelle Reisewarnung. Aber man rät davon ab Reisen zu unternehmen, die nicht unbedingt nötig sind. Die Israelis sind noch alarmierter und fordern ihre Staatsbürger auf, das Land so schnell wie möglich zu verlassen.
Es ist ja auch nicht klar, ob diese Terrorwelle wirklich vorbei ist. Est heute hat es wieder Explosionen in Colombo gegeben, überall ist Polizei und Militär zu sehen. Wenn die Touristen längerfristig wegbleiben, dann wäre das eine Katastrophe für das Land.
Aber dazu muss es nicht kommen. In Bali in Indonesien hat es Terroranschläge gegen Touristen gegeben, mehrmals, trotzdem hat sich der Tourismus wieder erholt. Am Roten Meer in Ägypten ist das genauso.
Aber das Gefühl der Sicherheit ist vorbei.
In vielen Krisengebieten wird man, wenn man vor das Hotel kommt, strenger kontrolliert, als bei uns am Flughafen.
Es wird erhöhte Sicherheitsmaßnahmen geben müssen, und das wird auch den Tourismus verändern.

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