Syrien: Russland wird Assad nicht so rasch fallen lassen

  Gedämpftes Licht und  wohl gesetzte Worte aus Wien  beim Treffen der Außenminister  letzte Woche signalisierten der Welt, dass die Diplomatie in den Wirren des Nahen Ostens  doch noch eine Chance hat.  Der imperiale Rahmen der Ringstraße kontrastiert mit den Bildern vom Chaos einige hundert Kilometer weiter südlich, wo die geballte Staatsmacht Kroatiens, Sloweniens und Österreichs  immer wieder an den humanitären Anforderungen der  Flüchtlingstrecks scheitert.

   Während des Kalten Krieges hat das Wiener Hotel Imperial  John F.Kennedy und Nikita Chruschtschow beherbergt.   Das Gruppenbild mit John Kerry und Sergej Lawrow suggeriert, die Supermächte von einst könnten auch jetzt den Weg zu einer Lösung weisen. Die im Westen kursierende Hoffnung, Russland könnte bereit sein, seine Unterstützung für  Baschar al Assad aufzugeben,  wurde jedoch enttäuscht. Von einem politischen   Deal sei man weit entfernt, ließ Lawrow nach den Gesprächen wissen. Aber nach vier Jahren ununterbrochener Zerstörung ist  jede kleinste diplomatische Bewegung ein Fortschritt.  

  Die russischen Luftangriffe haben es den Truppen des Assad-Regimes erlaubt ihre Position zu festigen. Rund um die  umkämpfte Stadt Aleppo mussten die Rebellen wichtige Stellungen räumen. Menschenrechtsorganisationen sagen, die Offensive  hat Zehntausende zusätzlich zur Flucht in Richtung Türkei getrieben. Durch die neuen Kriegshandlungen verschlimmert sich die humanitäre Situation.

  Politisch ist  Moskaus Kalkül vorläufig aufgegangen. Putin ist Kriegsherr im Nahen Osten. Sogar in Bagdad hat die russische Regierung ein Koordinationsbüro eingerichtet, zum Informationsaustausch mit dem Irak und dem Iran. Mit dem jordanischen Nachbarland, einem engen Verbündeten der USA, besprechen die russischen Militärs ihre Einsätze. Die einzige Reise, die Assad seit Beginn des Bürgerkrieges vor vier Jahren wagte, führte ihn in den Kreml.  Der Händedruck des syrischen Diktators mit Putin besiegelt die Allianz. Er bedeutet, dass Russland den Verbündeten nicht so rasch fallen lassen wird. Ein Umsturz in Damaskus  wäre jetzt ein Zeichen der Schwäche für Putin, zu dem Moskau ganz sicher keinen Anlass sieht.

  Amerika ist unentschlossen, wie auf die neue Situation zu reagieren ist. John Kerry will  Gesprächskanäle in alle Richtungen öffnen. Aber an die Erfolgschancen der Diplomatie scheint er  nicht wirklich zu glauben. In Washington wirbt das State Department für die Idee einer Flugverbotszone über Teilen Syriens. Assads Fassbomben, die so viel Verheerung anrichten, sollen unterbunden werden. Die Türkei hat ihr Ziel einer Schutzzone in Nordsyrien nicht aufgegeben. International betreute Flüchtlingslager könnten auf syrischem Territorium entstehen, genauso wie Operationsbasen für verbündete Rebellengruppen, so das Kalkül in Ankara.  Aber jeder Schritt in diese Richtung erfordert eine massive Ausweitung des militärischen Engagements der USA. Die Obama-Administration ist dazu nicht bereit. Bei den Strategiesitzungen im Weißen Haus bleiben die Befürworter einer Flugverbotszone  in der Minderheit. 

  In Genf sind internationale Syrienkonferenzen zwei Mal gescheitert. Stolpersteine waren der Widerstand der sunnitischen Staaten gegen eine Beteiligung des Iran  und die Rolle Assads in der Nachkriegsordnung für Syrien. Beide Streitpunkte sind ungelöst, wobei die Europäer hörbar von der anfänglich lautstark vertretenen Forderung nach einem Abtritt des syrischen Herrschers abrücken.  Gegen die Einbeziehung der Iraner hätten weder EU-Außenpolitikchefin Mogherini noch John Kerry etwas einzuwenden. Aber Saudi Arabien legt ein Veto ein. Die regionalen Rivalitäten zwischen sunnitischen und schiitischen Mächten sind das größte Hindernis für einen Kompromiss.

  Das Wiener Syrientreffen und mögliche Nachfolgekonferenzen sind ein neuer Anlauf  zur  Internationalisierung der Syrienkrise.  Eine rasche Lösung, die sich auch in einem  Rückgang der Flüchtlingsbewegung niederschlägt, ist nicht zu erwarten. Selbst nach einem Ende von Kriegshandlungen kann es noch  lange dauern, bis Menschen wieder in ihre alte Heimat zurückkehren. Davon zeugen Flüchtlingslager in allen Teilen der Welt.

  In Kriegssituationen mobilisieren Staaten oft  riesige Mittel, zu denen sie in Friedenszeiten nie fähig wären.  Kosten spielen dann keine Rolle.  Die Europäer werden erkennen müssen, dass sie diesen Winter gefordert sind, eine ähnliche kollektive Anstrengung  im Umgang mit hunderttausenden zusätzlichen Kriegsflüchtlingen zu schaffen.  Wie Juncker und Orban, Merkel und Faymann, das UNHCR und die Caritas  eine  gemeinsame  Versorgung der Flüchtlinge angehen, wird für das Schicksal von Millionen Syrern genauso wichtig sein, wie die geopolitischen Deals in der Weltdiplomatie.